Das neue „Apple Music“ – eine Annäherung.

Das neue „Apple Music“ – eine Annäherung.

Viele Emotionen, viele bunte Bilder und eine Dichte an Superlativen, wie es sie tatsächlich nur bei einer Apple Keynote geben kann. Doch was ist das auf der diesjährigen WWDC vorgestellte „Apple Music“ wirklich? Versuchen wir eine Annäherung. Auf den ersten Blick soll „Apple Music“ dreierlei Features bieten: Ein klassisches Streaming-Portal, ein weltweites, nonstop sendendes Radio und eine Plattform, über die Künstler sich mit ihren Fans vernetzen können.

Zwar gibt es mit Deezer, Spotify oder Rhapsody bzw. Napster schon zahlreiche Streaming-Anbieter (siehe unsere Analyse Apple und die Musik), doch in der Welt des angebissenen Apfels ist das Thema ein Novum. Bis jetzt. Der große Vorteil für die Kalifornier: Nahezu jeder aktuelle Hardware-Besitzer des Hauses bekommt mit der in wenigen Wochen folgenden Software-Aktualisierung den Zugang zu „Apple Music“ auf sein Gerät installiert – und ist damit nur ein paar kurze Schritte davon entfernt, zum zahlenden Kunden zu werden.

Die Streaming-Komponente dürfte das dabei wohl wichtigste Feature für Apple sein, muss der erfolgsverwöhnte Konzern aus Cupertino schon seit längerem Umsatzrückgang bei seinem Download-Dienst I-Tunes hinnehmen.

Das 24/7 Radio, genannt „Beats 1“ sendet aus London, New York und Los Angeles. Und soll – so der Hersteller – die Musik selbst in den Mittelpunkt stellen: Keine Genre-Limits, keine regionalen Präferenzen. „Gute Musik wirkt überall und steht für sich selbst“ könnte das Motto sein. Ich glaube: Eine schöne Idee, die es jedoch schwer haben wird in einer Welt, die trotz Globalisierung noch immer höchst unterschiedliche regionale Musikgeschmäcker aufweist (was per se nichts schlechtes ist). Dennoch: Ich bin gespannt, ob – und wie – der Spagat gelingen kann, der ganzen Welt eine musikalische Heimat zu bieten. Denn wenn wir eines nicht brauchen, dann noch mehr beliebiges, auf Massengeschmack produziertes Radio mit Moderatorensprüchen so flach wie die Auswahl der gespielten Songs.

Die dritte Komponente, deren Motto „Connecting Fans with Artists“ lautet, stellt sich für mich als ein Querschnitt aus Twitter, Facebook, Youtube und Instagram dar, nur eben für Musik. Für Künstler bietet sie die Möglichkeit, kleine Kurzfilme, Anspieler, Interviews oder sonstige Texte online zu stellen – und das in der optisch sehr ansprechenden, auf verschiedene Bildschirmgrößen skalierbaren Apple-Welt. Kein schlechter Gedanke, wird die Musik dadurch doch anfassbarer, emotionaler, haben die Künstler die Möglichkeit, sich und ihre Kunst zu erklären, zu beschreiben oder zu kommentieren. Und das nicht auf einer Vielzahl von Kanälen, sondern nur einen Klick vom Player entfernt.

Ein Punkt, der mir bei Apple leider immer häufiger aufstößt, unter anderem auch bei der ebenfalls heute vorgestellten „News“ App für Tablets und Telefone: Der Nutzer gibt seine Präferenzen preis, der Computer verfeinert mit jedem gelesenen Artikel oder gehörtem Song den individuellen Geschmack, „lernt“ entsprechend mit und macht Vorschläge für neue Artikel, Musik, App-Downloads und so weiter. Was aber passiert, wenn ich nicht nur Jazz-Musik mag, oder meine Präferenzen viele, auch gegensätzliche Stile vereinen? Gut, meine Vorlieben könnte ich dem Computer ja genannt haben. Aber möchte ich immer nur das Lesen und Hören, was ich sonst immer höre? Vielleicht erscheint gerade ein wunderschönes Klassik-Album oder ein Deephouse-Sampler, der genau den Song enthält, der mich für den Rest meines Lebens als Lieblingslied begleiten wird? Oder ich verpasse den Artikel über ein Thema, von dem ich gar nicht weiß, dass es mich interessieren könnte? Spannende Fragen, die die Zeit beantworten wird. Fakt ist: Ein geschlossen aufgebautes Ökosystem – und darin ist Apple sehr gut – verleitet die Nutzer dazu, darin zu bleiben und es immer seltener zu verlassen. Denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Und genau darin liegt – bei all den Vorteilen – die Gefahr.

„Apple Music“ kommt Ende Juni 2015 in 100 Ländern auf den Markt. In den USA kostet es 9,99 US Dollar als Einzellizenz, die Familienvariante für bis zu sechs Nutzer kostet 14,99 US Dollar. Die ersten drei Monate sollen kostenlos sein.

Foto: picjumbo / freepik

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