Pharoah Sanders war eine Lichtgestalt des Jazz

Pharoah Sanders war eine Lichtgestalt des Jazz

Im September vergangenen Jahres ist der große Jazzmusiker Pharoah Sanders im Alter von 81 Jahren gestorben. Sanders gilt als Wegbereiter des Free Jazz, in Arkansas aufgewachsen spielte er Klarinette, Schlagzeug und später Tenorsaxofon, nach dem Musikstudium in Kalifornien lebte er ab 1961 in New York, um dort zunächst mit Sun Ra, der ihm seinen Künstlernamen verlieh, zu spielen, bevor er in John Coltranes Quintett den Jazz-Hit „The Creator Has A Masterplan“ schrieb. Sein kraftvolles und freies Saxofonspiel beeinflusste weit über den Jazz hinaus, seine Überblastechniken und Zirkularatmung erschlossen völlig neue Klangwelten.

Kürzlich ist eine Perle von Album aus der „Live At Fabrik Hamburg“-Serie mit ihm im Quartett mit John Hicks (Piano), Curtis Lundy (Bass) und Idris Muhammad (Schlagzeug) erschienen, ein Konzert im Rahmen des damals „New Jazz Festival“ genannten Gipfeltreffens deutscher, europäischer und US-amerikanischer Musiker. So ist „Live at Fabrik – Hamburg 1980“ nicht nur eine mitreißende Quartett-Performance geworden, sondern ein Nachruf auf den Meisterjazzer. Fünf Tracks, darunter der lange „Überhit“ „The Creator Has A Masterplan“ sind das Ergebnis dieses bewegenden Konzertabends vom 6. Juni 1980.

Im Jahr 2021 gelang dem Saxophonisten, nach langer Zeit ohne Veröffentlichungen, noch einmal ein großer Wurf zusammen mit dem London Symphony Orchestra. Der britische Produzent und Komponist Sam Shepard, der sich „Floating Points“ nennt, hatte die Musik dazu komponiert und das Album produziert. Das Orchester liefert bei der neunteiligen Suite „Promises“ einen zarten Soundteppich über den Sanders frei improvisiert und sich von den Klängen des Orchesters tragen lässt. Teilweise pausiert das Saxophon aber auch über weite Strecken. Eine Musik, die aktuelle Ambient-Sounds, neue klassische Musik und freien Jazz äußerst organisch verbindet.
Dieses Album sollte Pharoah Sanders‘ Vermächtnis werden, ein würdiges und eines, das ihn als Musiker ohne Scheuklappen zeigt, aber auch als einen Künstler, der seinem Klang zeitlebens treugeblieben ist.

Sanders stammte aus Little Rock im US-Bundesstaat Arkansas, wo er 1940 geboren wurde. Seine Karriere als Musiker startete er im kalifornischen Oakland, ging aber 1961 nach New York, um sich dort als Berufsmusiker zu etablieren – zunächst jedoch ohne großen Erfolg. Allerdings wurde John Coltrane auf ihn aufmerksam, mit dessen Band Sanders dann regelmäßig auftrat. An der Seite von John Coltrane entwickelte Sanders die ersten Formen des Free Jazz. Nach Coltranes Tod arbeitete der Saxofonist mit dessen Witwe Alice Coltrane weiter. Die beiden fanden vor allem in der Spiritualität und Musik afrikanischer und asiatischer Religionen Inspiration, weswegen ihre gemeinsamen Alben als Geburt des Spiritual Jazz galten.

Es folgte eine erfolgreiche Solokarriere, in deren Verlauf er mehrmals das Label wechselte und mehr als 35 Alben veröffentlichte. Sein nicht minder berühmter Kollege Ornette Coleman bezeichnte Pharoah Sanders einst als „probably the best tenor player in the world“. Pharoah Sanders war eine Ikone, eine Lichtgestalt und ein überaus schüchterner Mensch, ein unvergessener Jazzmusiker.

Pharoah Sanders Quartet: „Live At Fabrik Hamburg 1980“ ist auf dem Label Jazzline erschienen im Vertrieb von Broken Silence.