Kae Tempest spricht über das nicht-binär Sein
Kae Tempest spricht über das nicht-binär Sein
Kae Tempest verzichtet auf ein t im Vornamen und veröffentlicht das neue Album „The Line Is A Curve“. Mit dem neuen Album ergründet Tempest auch, wie man als Person in der Öffentlichkeit bestehen kann: „Ich versteckte mein Gesicht hinter meinem Wunsch, mein Werk für sich selbst sprechen zu lassen. Jetzt möchte ich, dass sich die Leute von mir persönlich zur Musik eingeladen fühlen.“
Im Sommer 2020 outete sich Tempest als trans und verwendet seitdem die geschlechtsneutralen Pronomen they/them, für die es im Deutschen keine eindeutige Übersetzung gibt. Tempest, aufgewachsen im Süden Londons, begann mit 16 bei Open-Mic-Abenden aufzutreten, meist an der Schnittstelle von Rap und Spoken Word. 2014 erschien das Debütalbum „Everybody Down“.
In der Zwischenzeit erschienen Theaterstücke, Gedichtbände, ein Roman und zwei weitere Alben, die sich immer mehr von den Genre-Regeln des HipHop entfernten. Das bisher letzte Werk, „The Book Of Traps And Lessons“, ähnelte einem epischen Gedicht, untermalt von Synthesizer-Flächen, mal warm und einladend, mal bedrohlich kühl.
“Seit meiner Kindheit wurde erwartet, dass ich mich irgendwie verhalte“, sagt Tempest. Dem britischen Guardian verriet sie: „Ich habe immer Teile von mir versteckt. Weil ich so anders war, konnten die Leute nichts mit mir anfangen. Wenn ich performt habe, war das mein Passierschein – ich musste in keine Geschlechterschublade passen.“ Diese Thematik dominiert auch das neue, vierte Tempest-Album. Schon sein Titel „The Line Is A Curve“ verdeutlicht das Umkreisende, das eine Suche nach Identität birgt: loslassen, sich selbst finden, akzeptiert werden.
Der Ausbruch und Findungsprozess, das Formannehmen spiegelt sich auch im grafischen Konzept des neuen Albums. Etwa im unscharfen Coverbild, für das Tempest den Fotografen Wolfgang Tillmans engagiert hat, und im Video zu „No Prizes“, in dem sich Personen unter einem gespannten Stück Stoff bewegen und zur Musik ihre Umrisse zeigen oder verbergen. Musikalisch entfernt sich „The Line Is A Curve“ von seinem Vorgänger. Die analog eingespielten Drums und der Beitrag zweier Gastsängerinnen, Lianne La Havas und ássia, helfen, dem Ganzen textliche Kraft und eine etwas greifbarere Songstruktur zu geben.
Zum Finale erklingt das hingebungsvolle Stück „Grace“, dessen Musik auf sparsamen Gitarrenakkorden basiert: „Grace“ erzählt von absoluter Selbstaufgabe in der Liebe: „Let me give love, receive love and be nothing but love, in love and for love and with love.“
Kae Tempest: „The Line Is A Curve“ ist auf dem Label Fiction/Virgin Music erschienen.