Kurtág und Dvořák eint mehr als man erwartet
Kurtág und Dvořák eint mehr als man erwartet
Auf seinem ECM New Series-Debütalbum spielt das Parker Quartet aus Boston, das für seine „Meisterschaft und fantasievolle Interpretationskunst“ gelobt wird, Werke von György Kurtág sowie von Antonín Dvořák – letzteres gemeinsam mit der früheren Mentorin des Quartetts, der Bratschistin Kim Kashkashian.
In diesem Programm der Kontraste wird Dvořáks Streichquintett Nr. 3, das 1893 in Amerika komponiert wurde, von zwei konzentrierten, akribisch geformten Werken Kurtágs eingerahmt – den Six Moments musicaux (2005) und dem Officium breve in memoriam Andreae Szervánszky (1988 / 89). Das besondere Gespür für Kurtágs singuläre Musiksprache ist nicht zuletzt das Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit mit dem ungarischen Komponisten. Das Album wurde übrigens im Studio des Radio DRS in Zürich aufgenommen. Auf den ersten Blick mag die Zusammenführung der beiden Komponisten, die das Parker Quartet und die Viola-Spielerin Kim Kashkashian für ihre jüngste Einspielung bei ECM New Series gewählt haben, nicht recht passen.
Und doch: György Kurtág und Antonín Dvořák eint mehr, als es die flüchtige Betrachtung des Oeuvres erahnen lässt. Wir sollten nicht vergessen: György Kurtág und Antonín Dvořák gehören zu den Schöpfern wichtiger und großartiger Kammermusikwerke. Dvořák schrieb auf diesem Gebiet 31 Werke. Gewichtiger noch ist der Anteil an Kammermusikwerken im Schaffen von Kurtág, wobei seine Orchesterwerke oft auch für kleinere Ensembles und reduzierte Besetzungen geschrieben wurden.
Noch ein weiteres Wort zu György Kurtág: Er zählt zu den am häufigsten aufgeführten Komponisten der Gegenwart. Er gilt neben György Ligeti und Péter Eötvös als der international erfolgreichste ungarische Komponist nach 1945. 33 Jahre alt war Kurtág bereits, als er 1959 seinen offiziellen Werkkatalog mit einem Streichquartett einläutete. Und mit dieser kammermusikalischen Gesprächsform sollte er sich fortan regelmäßig beschäftigen. Wenngleich Kurtág dafür nicht die große Satzform wählte, sondern sich in bisweilen eher sehr kleinen Klangwelten bewegte. In bester Tradition des von ihm bewunderten Anton Webern schrieb er etwa musikalische Miniaturen von radikal kurzer Spieldauer. Wie etwa in seinem „Officium breve“ op. 28 mit seinen 15 Piècen, die in ihrer oftmals extrem reduzierten Tonsprache bisweilen schon nach 20 Sekunden wieder im Nichts entschwinden. Mit diesem 1989 vollendeten Zyklus, den Kurtág dem ungarischen Webern-Experten Endre Szervánszky widmete, beschließt das amerikanische Parker Quartet nun sein jüngstes Album. Und wie bei den ebenfalls zu hörenden „Six moments musicaux” op. 44 von Kurtág spüren die vier Musiker packend und dabei penibel genau den musikalischen Wesen und Gedanken des ungarischen Altmeisters nach. In ganz andere Sphären bricht man derweil mit Dvořáks Streichquintett Nr. 3 op. 97 auf, für das man sich die Bratschistin Kim Kashkashian mit ins Boot geholt hat. Und so entsteht am Ende wunderbare Musik.
Parker Quartet/Kim Kashkashian:„György Kurtág und Antonín Dvořák“ ist auf dem Label ECM New Series erschienen.