Eindrucksvolle Geschichten auf dem Bandoneón

Eindrucksvolle Geschichten auf dem Bandoneón

Der 85-jährige Argentinier Dino Saluzzi hat schon vor Jahrzehnten das Bandoneón im Jazz etabliert und auf diesem Instrument eine beeindruckende Diskographie eingespielt. Sein neues (Solo-) Album „Albores“ entzieht sich sämtlichen Kategorien und lädt uns ein zu einer großen spirituellen Erfahrung.

Nach einer Reihe von hochgelobten Aufnahmen, die Dino Saluzzi mal im Duo- oder Trio-Format machte, dann wieder mit seiner Familienband, einem Streichquartett oder Orchester, präsentiert der große Bandoneónist hier seine erste reine Solo-Einspielung in mehr als 30 Jahren. Seinen Ruf außerhalb Argentiniens begründete Saluzzi in den 1980er Jahren maßgeblich durch die beiden brillanten ECM-Soloalben „Kultrum“ (1982) und „Andina“ (1988). Das neue Werk „Albores“ wurde zwischen Februar und Juni 2019 im Saluzzi Music Studio in Buenos Aires aufgenommen und unterstreicht einmal mehr sehr eindrucksvoll Saluzzis Begabung als musikalischer Geschichtenerzähler. Für die Stücke dieser intimen Aufnahme griff Saluzzi auf Erinnerungen an weit zurückliegende Zeiten zurück. So huldigt er in dem Titel „Don Caye“ – versehen mit dem Untertitel „Variationen über das Werk von Cayetano Saluzzi“ – auf besonders berührende Weise seinem Vater, der selbst ein populärer Komponist und Musiker war.

„In dieser Musik geht es fast immer um das Rubato“, sagt Altmeister Saluzzi über „Albores“ („Dämmerungen“). „Das ist keine Musik, die strikt mit dem Tempo umgeht. Das Bandoneon hat etwas sehr Menschliches, es kommt quasi von der Stimme her. Mit ihm kannst du dich unterhalten.“ Und das macht Saluzzi auf ganz besondere Art und Weise. Fast das gesamte Album erzählt diese typischen Rubato-Geschichten. Besonders die ersten beiden Stücke, „Adiós Maestro Kancheli“ und „Ausencias”, wirken wie zwei in sich gekehrte Meditationen, in denen Dino Saluzzi mit seinem Instrument ins Zwiegespräch eintritt. „Adiós Maestro Kancheli“ ist dem georgischen Komponisten Gija Alexandrowitsch Kantscheli gewidmet, der im Oktober 2019 starb. Saluzzi: „Ich hatte die Ehre, den Maestro persönlich kennenzulernen. Ich verehre ihn besonders für die Schönheit seiner Kompositionen, für die Einfachheit seiner Gedankengänge.“

Mit dem dritten Stück, der Milonga „Según me cuenta la vida“, gelangt Dino Saluzzi dann wieder in die Welt des Tango. Und so schließt sich der Kreis: Wer behauptet, im Bandoneón stecke nur Melancholie und Drama, der muss dem Maestro nur richtig zuhören.

Dino Saluzzi: „Albores“ ist auf dem Label ECM erschienen.

Tagged under:

, ,