Deutsches Jazzfestival erlebt Sternstunde mit Charles Lloyd
Deutsches Jazzfestival erlebt Sternstunde mit Charles Lloyd
Das 50. Deutsche Jazzfestival Frankfurt feierte das Jubiläum auf seine ganz eigene Art in der Alten Oper, dem hr-Sendesaal und im Künstlerhaus Mousonturm. Internationale Jazzmusiker*innen aller Generationen, von Jungstar Laura Jurd bis zu Altmeister Charles Lloyd, sorgten für eine künstlerisch bestens gelungene Jubiläumsausgabe. 4 500 Fans lauschten an fünf Tagen bzw. Abenden heimischen Jazzgrößen und internationalen Spitzenmusikern.
Gleichzeitig erfuhr das seit 50 Jahren existierende Münchner Plattenlabel ECM seine verdiente Würdigung. 1969 von dem Produzenten Manfred Eicher in München gegründet, ist es zu einer Marke geworden und „Edition of Contemporary Music“ (ECM) steht wie kein anderes Label im Jazz im letzten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts für eine ganz bestimmte Klangästhetik der Stille und der Kontemplation. Die Konzerte im hr-Sendesaal und im Mousonturm waren ausverkauft, und zahlreiche Fans verfolgten den Eröffnungsabend im Video-Livestream und die weiteren Konzerte in hr2-kultur.
Das Programm in diesem besonderen Jahr verwies an einigen Stellen auf die ruhmreiche Geschichte dieses Festivals und bot gleichzeitig die gewohnte Experimentierfreude und Aktualität. Es freut uns sehr, dass das Programm vom Publikum so gut angenommen wurde. Wir glauben, dass das 50. Deutsche Jazzfestival Frankfurt als ein besonderer und künstlerisch sehr fruchtbarer Jahrgang in die Festivalgeschichte eingehen wird.
Festivalleiter Olaf Stötzler
Etliche Musiker des Festivals haben denn auch ihre musikalischen Fußabdrücke auf diesem Label hinterlassen. Und konsequenterweise startete der ECM-Eröffnungsabend mit dem Jakob Bro Quartet featuring Palle Mikkelborg. Der Auftritt des dänischen Gitarristen Jakob Bro mit seinem Quartett gehörte zweifellos zu den Höhepunkten des Festivals. Vor allem Trompeter Palle Mikkelborg setzte wichtige Akzente. Bro hat sich in nur wenigen Jahren in die erste Liga des internationalen Jazz gespielt. Seitdem er mit seinem Trio beim deutschen Label ECM unter Vertrag ist, wird seine Musik weltweit wahrgenommen. Seine Formation steht für eine unaufgeregte, hochsensible Spielweise und der dänische Trompeter Palle Mikkelborg – Jahrgang 1941 – ist eine bedeutende Legende des europäischen Jazz, unvergessen nicht zuletzt durch seine Zusammenarbeit mit Miles Davis beim Album „Aura“ im Jahr 1984. Die Musik der Band hatte einen großen Reiz und verströmte eine unglaubliche Spannung.
Ungewohnte großorchestrale Klänge gab es dann von der hr-Bigband zu hören, die den herausragenden amerikanischen Bassisten und Komponisten Michael Formanek mit seinem Ensemble Kolossus zu Gast hatte, bevor die albanisch-schweizerische Sängerin Elina Duni im Albert Mangelsdorff Foyer den Abend mit einer intensiven Solo-Performance beschloss.
Im hr-Sendesaal begeisterte das virtuose britisch-schwedische Trio Enemy. In Reminiszenz an die Deutschen All Stars, 1953 Headliner des 1. Deutschen Jazzfestivals Frankfurt, traten bei der 50. Ausgabe die extra dafür zusammengestellten German All Stars mit einem ambitionierten Programm eigener Kompositionen auf. Mit ihrem weltumspannenden und zugleich hochvirtuosen kammermusikalischen Dialog begeisterte zum Abschluss das Cross Currents Trio mit Chris Potter, Dave Holland und der Tabla-Legende Zakir Hussain. Sie sorgten für stehende Ovationen – wie auch am zweiten Abend ein alter Bekannter: Der charismatische Saxofonist Charles Lloyd – inzwischen 81 Jahre alt – war schon 1966 beim 10. Jazzfestival zu Gast. Diesmal brachte er sein hochkarätig besetztes Quintett Kindred Spirits mit. Die Musiker an seiner Seite waren Marvin Sewell (Gitarre), Gerald Clayton (Piano), Harish Raghavan (Bass) und Eric Harland (Drums), ein Dream-Team, das die Jazzfans verzückte und eine Sternstunde des Jazz bot.
Auch der Frankfurter Saxofonist Christof Lauer war zum wiederholten Male eingeladen und konnte sich für das 50. Festival eine Traumband zusammenstellen. Im Quintett u. a. mit Kudsi Erguner, dem Meister der türkischen Endkantenflöte Nay, inszenierte Lauer einen spannenden Dialog zwischen Sufi-Musik und Jazzimprovisation. Begonnen hatte der Abend mit den ausgefeilten Kompositionen und Improvisationen der jungen britischen Band Dinosaur um die preisgekrönte 29-jährige Trompeterin Laura Jurd, die einen großartigen Auftritt hinlegte.
Mit Schlagzeug- und Vibrafonkaskaden in atemberaubender Geschwindigkeit, zum Teil angereichert durch Live-Elektronik, eröffnete das Projekt Boulez Materialism den dritten Abend im hr-Sendesaal. Das Marcin Wasilewski Trio kontrastierte. Melodiös führten die drei polnischen Musiker durch das zweite Set des Abends, mal kontemplativ und sanft, dann wieder hochenergetisch. Den spektakulären Schlusspunkt setzte am Samstag eine Uraufführung der hr-Bigband. Kompositionen von Ornette Coleman, arrangiert von Jim McNeely und Joachim Kühn, bildeten den Ausgangspunkt für eruptive und selten gehörte Klanggebilde. Das Jazzorchester des Hessischen Rundfunks trat in einen hochmusikalischen Dialog mit einem prominent besetzten Quartett. Dabei brillierten neben Kühn am Klavier der Schlagzeuger Joey Baron, Bassist François Moutin und Michel Portal an Bassklarinette und Sopransaxofon.
Zur Matinee im intimen Rahmen des Lokals im Mousonturm traf sich der Wiesbadener Pianist Uwe Oberg mit der Berliner Saxofonistin und Klarinettistin Silke Eberhard. In dem Konzert erkundeten die beiden die klanglichen Möglichkeiten eines frei improvisierten kammermusikalischen Dialogs. Druckvollen Jazzrock mit modernem Touch brachte abends das Quartett des neuseeländischen Schlagzeugers Myele Manzanza auf die Bühne des ausverkauften Saals. Der Wahl-Londoner gab bei dieser Gelegenheit sein Festivaldebüt in Deutschland. Den Schlusspunkt setzten mit clubtauglichem Jazz der angesagte Londoner Keyboarder Alfa Mist und sein junges Quintett.