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DJF 2017: Festivalmacher vertrauen auf die Neugier des Publikums
DJF 2017: Festivalmacher vertrauen auf die Neugier des Publikums
4.500 Fans besuchten die fast durchweg ausverkauften Konzerte des 48. Deutschen Jazzfestivals Frankfurt in der Alten Oper Frankfurt, im hr-Sendesaal und im Künstlerhaus Mousonturm. Eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. Doch nicht nur numerisch sammelte das älteste Festival dieser Art – 1953 in Frankfurt gegründet – Punkte. Auch qualitativ wurde es seinem guten Ruf mehr als gerecht. Doch der Reihe nach: Zum Auftakt feierte das Festival zwei populäre Spielarten der Black Music und lockte ein überdurchschnittlich junges Publikum in die vollbesetzte Alte Oper. Soll heißen: Die Gospel-Tradition, Wurzel des Jazz und Brutkasten für die Größen der Black Music kamen zum Zuge. Die Akteure waren zunächst Cory Henry und die hr-Bigband. Cory Henry ist nicht nur ein Turbo-Hammond-Organist, sondern auch ein charismatischer Sänger mit Wurzeln im Gospel, Jazz und Soul, der im zarten Alter von sechs Jahren zum ersten Mal im Apollo-Theater in New York auftrat. Wenn er nicht gerade ein eigenes Projekt am Start hat oder einen Beitrag zum Repertoire von Snarky Puppy beisteuert, stellt er seine stupende Musikalität gerne auch in den Dienst von Musikern wie Bruce Springsteen oder The Roots oder in diesem Fall der hr-Bigband. Auch durch einen Kurzschluss auf der Bühne der Alten Oper war er nicht zu stoppen und versetzte das Publikum anschließend mit seinen Funk Apostles in ekstatische Stimmung.
Die Festivalmacher setzten aber nicht nur auf die großen Stars, sie vertrauen zunehmend auf die Neugier des Publikums. Ein Motto gab es zwar nicht, aber thematisch spielten die Anfänge der schwarzen Musik und Afrika eine nicht zu überhörende Rolle. So stellten mit Steve Lehman’s Sélébéyone, Bänz Oester & The Rainmakers und Shabaka Hutchings & The Ancestors gleich drei Bands Musiker aus Afrika in den Fokus.
Am anderen Ende des stilistischen Spektrums standen die feinziselierte Kammermusik des Kölner Saxofonisten Roger Hanschel mit dem Auryn Quartett, ein magisches Solo-Set des armenischen Ausnahme-Pianisten Tigran Hamasyan sowie ein intimes Matinee-Konzert mit Bob Degen und Matthias Nadolny.
Tigran Hamasyan erweist sich dabei als phänomenaler Pianist mit atemberaubender Technik. In seinen Kompositionen gelingt es dem Armenier immer wieder, große Emotionen zu erzeugen. Virtuos nutzt er die dynamische Bandbreite seines Instruments und verweist gerne auf seine vielfältigen Einflüsse und Inspirationsquellen wie Volksmusik, Klassik, Jazz und Techno.
Ein gutes Beispiel für die vielen regionalen Dialekte des Jazz boten der norwegische Bassist und Komponist Mats Eilertsen mit seiner Band Rubicon und das hr-Jazzensemble, das im 60. Jahr seines Bestehens als nimmermüder generationenübergreifender Experimentierzirkel gefiel.
Die der Berliner Szene verbundenen Altsaxofonistin Silke Eberhard und ihre Musiker hatten Besonderes zu bieten. Die Rekonstruktion von Eric Dolphys „Love Suite“ überzeugte zwar nicht alle Zuhörer, doch Eberhards klar konturierte konstruktivistische Kompositions- und Spielweise, gepaart mit gelegentlichem Dekonstruktivismus zeugte von der großen Erfahrung der Musikerin mit der klassischen Avantgarde.
Viel Jubel gab es für das prächtige Trio „Children Of The Light“ mit dem Pianisten und Keyboarder Danilo Pérez, dem Kontra- und E-Bassisten John Patitucci und dem Schlagzeuger Brian Blade, alles Spitzenmusiker auf ihren Instrumenten und zugleich das schlafwandlerisch aufeinander eingespielte Rhythmusteam der 84-jährigen Saxofonlegende Wayne Shorter, des Jazzgurus aus dem Geiste der offenen Miles-Davis-Tradition. In hoch konzentrierten Interaktionen spielten die drei ein fesselndes Programm. Spontan ergaben sich zirkuläre motivische Entwicklungen von ungeheuer feinsinnigen Strukturen und faszinierender rhythmischer Differenziertheit.
Stets bildet John Patitucci einen raffinierten Gegenpol zu Danilo Pérez‘ federndem Tastenspiel. Es wimmelt nur so von gegenläufigen Rhythmen. Pérez hat Feuer in den Fingern aber auch so viel Zärtlichkeit. Das Trio begab sich auf eine aufregenden Klangreise zwischen südamerikanischen Rhythmen und nordamerikanischem Jazz. Ein Erlebnis der besonderen Art, vom Publikum mit standing ovations zurecht belohnt.
Das 49. Deutsche Jazzfestival Frankfurt 2018 findet im nächsten Jahr am 22. und vom 25. bis. 28. Oktober statt.
Fotos (inkl. Header-Foto auf der Startseite): Copyright hr, Sascha Rheker