„Room 29“: Alles dreht sich um eine Hotellegende

„Room 29“: Alles dreht sich um eine Hotellegende

Chilly Gonzales auf einen musikalischen Stil festzulegen wird schwerlich gelingen, denn sein Markenzeichen ist die Vielfalt. Er ist in fast jedem Genre zu Hause. Ein Tausendsassa: als Jason Charles Beck im kanadischen Montréal geboren, kennt ihn die Musikwelt als Gonzales oder Gonzo. Meist sitzt er im schicken Bademantel am Flügel, gibt sich klassisch, parodistisch und zuweilen poppig, alles auf seine ureigene Art. Ein sympathischer Entertainer!

Für sein aktuelles musikalisches Abenteuer hat sich Gonzales mit Poplegende und Ex-Pulp-Sänger Jarvis Cocker zusammengetan. Der eine Popstar, der andere „Kult-Pianist“. Jetzt widmen sich Cocker und Gonzales einer besonderen Legende: dem Hotel Château Marmont in Hollywood.

Auf ihrem gemeinsamen Album „Room 29” erkunden die beiden die Geschichte der berühmten Künstlerherberge in Los Angeles. „Room 29, I heard them say, is the only place to stay”, singt Cocker, während im Hintergrund das Klavier erklingt. Berühmtheiten wie Jim Morrison oder Hunter S. Thompson, Jean Harlow, Mark Twains Tochter Clara oder der mit Hollywoodgrößen befreundete Gangsterboss Meyer „Mickey“ Cohen haben in dem Hotel bereits ihre Spuren hinterlassen. Helmut Newton ist dort gestorben, John Belushi nach einer Überdosis tot aufgefunden worden und Led Zeppelin sind mit Motorrädern durch die Lobby gefahren.

Das Album ist ungewöhnlich, beschreiben die beiden doch mit viel Humor den Hotelalltag aus einer eher speziellen Sicht: eines Klaviers. Für Gonzales und Cocker ist dies ein „Liederzyklus aus dem 19. Jahrhundert“. „Room 29“ sind Geschichten von Glamour und Einsamkeit. Geschichten, die weit zurück reichen in eine lustvoll- nostalgische Erinnerung an die goldenen Zeiten Hollywoods. Der Brite schrieb die Texte, Gonzales steuerte die Musik bei. Warm und intim klingt der 16-teilige Liederzyklus. Fast als ob die Musik in dem Hotelzimmer selbst aufgenommen wurde. Tatsächlich aber spielten die beiden die Stücke live in einem Pariser Studio ein. Dazu kam bisweilen auch das Kaiser Quartett: ein Streichquartett aus Hamburg, mit dem Gonzales schon lange zusammenarbeitet. Schlichte, kurze Stücke mit gefühlsbetonter Note, die schnell ins Ohr gehen gibt es zu hören. Die Musik driftet zuweilen ins Dramatische, manchmal sogar ins Kitschige, ab. Das tut der Sache aber keinen Abbruch. Im Gegenteil – das passt. Cocker flüstert verstohlen, dann spricht er bedächtig und dann singt er wieder.

Fazit: „Room 29“ ist ein wunderbarer, sehnsuchtsvoller Nostalgie-Trip in eine längst vergangene Zeit.

Chilly Gonzales & Jarvis Cocker: „Room 29“ (Deutsche Grammophon)

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