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Grandios: Avishai Cohen Trio zu Gast in Mainz
Grandios: Avishai Cohen Trio zu Gast in Mainz
Vögel zwitschern, Flugzeuge fliegen. Es ist Sommer in Mainz. Open Air Sommer. Endlich. Die altehrwürdige Zitadelle thront über der Stadt – und unter blauem Himmel. Auf der Bühne stehen Avishai Cohen am Bass, Omri Mar am Piano und Daniel Dor, der sich im Trio um die Drums kümmert.
Reden wir nicht lange um den heißen Brei herum: Der in Israel geborene Avishai Cohen ist einer der Größten – wenn nicht sogar der größte – Jazzbassist unserer Zeit. Auf der Bühne wirkt er cool, aber hochkonzentriert, wird eins mit seinem Instrument, schließt die Augen und wiegt sich im Takt. Mal lässt er seinen Tönen Zeit zu wirken, dann verliert er sich in minutenlangen, aberwitzigen Improvisationen, um gleich im nächsten Takt wieder das Hauptthema anzustimmen. Auch die beiden Mitstreiter haben ausreichend Raum zur Entfaltung. Gut so, denn an Talent und Spielfreude mangelt es weder Daniel Dor, virtuoser Taktgeber und temporeicher Antreiber gleichermaßen, noch dem kongenialen Omri Mar am Flügel, der mit seinem schnellen Spiel den perfekten Counterpart für einen sichtlich begeisterten und gut gelaunten Avishai Cohen darstellt.
Auf dem Programm stehen die Songs seiner jüngsten Alben, vor allem die des im Vorjahr erschienenen Longplayers „From Darkness“. Doch von Dunkelheit sind wir in Mainz noch weit entfernt. Das Publikum geht von Anfang an voll mit, feiert die drei Ausnahmemusiker vom ersten Song an frenetisch und quittiert die mit Soli gespickten Songs mit reichlich Szenenapplaus. Je länger das Konzert dauert, desto waghalsiger dekonstruiert Avishai Cohen die eigenen Kompositionen, bricht mit Taktfolgen oder spielt mit unterschiedlichen Tempi. Kurz: Er interpretiert seine Songs komplett neu, fängt an, die Übergänge zwischen Solo und Hauptteil immer fließender zu gestalten. Vermeintlich einfache Melodiefragmente münden in komplexe Rhythmen jenseits des von 3/4 oder 4/4 Takten dominierten Mainstreams. Einfach grandios.
Noch am Vorabend haben die drei Künstler in Lugano gespielt. „Es war ein schönes Konzert in einer tollen Lage“, berichtet Cohen. „Doch die Leute haben sich die ganze Zeit nur unterhalten, so dass wir uns vorkamen wie bei einem Rockkonzert!“