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In-Ear für Audiophile: Wir testen den NuForce HEM 4
In-Ear für Audiophile: Wir testen den NuForce HEM 4
In-Ear Kopfhörer haben viele Vorteile. Sie sind kompakt, tragen nicht auf und haben den mobilen Musikgenuss quasi demokratisiert. Immer dabei, mit oder ohne Kabel und in fast jeder Preislage. Sicher. Was in vielen Fällen nicht die allergrößte Stärke der ultrakompakten Membranen war: Die Klangqualität. Zwar hat die Technik in den vergangenen Jahren erstaunliche Fortschritte gemacht. Doch unter Menschen wie Musikern, DJs und anderen Klangkünstlern, die mit Musik ihren Lebensunterhalt verdienen, sind In-Ear Kopfhörer noch immer verpönt. Oder hat schonmal wer einen Tontechniker beim Pegeln oder einen DJ beim Auflegen mit einem In-Ear Kopfhörer gesehen? Ich noch nicht.
Doch nun schickt sich die Soundschmiede NuForce mit der HEM-Serie an, audiophilen Sound in die kleinen Gehäuse zu bringen. Zugegeben: Es gibt bereits so etwas wie „Profi In-Ears“. Doch der aktuelle Vorstoß von NuForce richtet sich an ein breiteres Publikum. Die Besonderheit der insgesamt vier Hörer: Sie erfüllen allesamt die Standards der High Resolution Zertifizierung. Dieses Zertifizierungsprogramm wurde im Jahre 2014 gegründet um das Wachstum von High-Resolution-Audiogeräten zu fördern und eine Orientierung für besonders hohe Soundqualität von Audiogeräten zu geben. Zweite Besonderheit: Die verwendeten Balanced Amature Treiber. Modular und aus feinsten Materialien aufgebaut, fällt vor allem das ungewöhnlich große Frequenzspektrum auf, das diese Treiber wiedergeben können. In der Höhe reicht es bis 40.000 Hz, bei den tiefen Frequenzen zwischen 20 bis sogar hinunter zu unfassbaren 10 Hz. Beeindruckend. Aber hört man das auch? Für die meisten Menschen ist bei knapp über 20 kHz Schluss mit dem, was die Ohren noch aufnehmen können. Das ist auch der Grund warum beispielsweise beim Encodieren von MP3-Dateien diese scheinbar unhörbaren Frequenzen vielfach abgeschnitten werden. Dennoch: Frequenzen beeinflussen einander. Hohe Töne interagieren mit niedrigen und umgekehrt. Die Folge: Auch unhörbare Frequenzen können hörbare beeinflussen. Dies ist natürlich nur eine sehr verkürzte Darstellung der verschiedenen physikalischen Effekte, die im Kopfhörer entstehen. Fakt ist, für manchen ist es essenziell die bestmögliche Klangwiedergabe zu bekommen. Und für diese Spezies ist die NuForce HEM-Serie gemacht. Den Start in diese markiert der HEM 2, der jeweils einen Treiber pro Earbud verbaut hat. Der HEM 4 hat derer zwei pro Seite. Die Speerspitze markiert der HEM 8, der pro Ohrstück über vier der hochwertigen Klangerzeuger verfügt.
Doch was bringt mir das im Alltag? Meist habe ich auf meinem Telefon MP3s in 320 MBit/s. Zu allererst mal Ernüchterung. Denn die gestreamten Songs (hier bieten fast alle Anbieter maximal 192 Kbit/s an) klingen mit unserem Testexemplar des HEM 4 einfach nicht mehr so gut wie mit einem Standard-Kopfhörer. Schade. Aber ich persönlich konnte den Unterschied sofort hören. Und so machen – so hart das klingen mag – manche Songs gar keinen Spaß mehr. Nuschelnde Hihats oder Tamburins – geht gar nicht. Also ab an den CD-Player. Zwar sind Frequenzbereich und vor allem die Abtastrate deutlich höher als bei komprimierten Daten, jedoch ist auch hier bei 20 kHz Schluss. Dennoch: Die gleiche Aufnahme klingt unkomprimiert deutlich besser und klarer. Deshalb halte ich mich mit den MP3s gar nicht weiter auf und setze auf die audiophilen CDs in meiner Sammlung. Gut, dass sich im Lieferumfang ein vergoldeter Adapter von Mini- auf die große 5mm-Klinke befindet. Wie mag der HEM 4 wohl erst an einem SACD-Player (bis zu 50 kHz) oder bei anderen Formaten wie DSD Audio Daten klingen?
Getestet habe ich mit vielen Songs, unter anderem aber dem feurigen Blues-Rock von Laurence Jones und dem Gitarrenfolk-Pop von Jamie Lawson. Und auch Songs von Sara K, die für ihre tollen Produktionen bekannt ist, steht auf der Playlist. Klarste Auflösung. Wahnsinnig präsente Höhen. Kein dominanter Bass. Einfach ein im besten Wortsinne ganz neutraler Klang. Ich bin begeistert. Dass ich gerade keinen übergroßen Kopfhörer auf den Ohren habe, sondern ein paar fast im Ohr verschwindende Earbuds habe ich glatt vergessen. Die kleinen blauen Ohrstücke sitzen sehr angenehmen und bieten auch Bewegung sehr gutem Halt. Zwei Kabel hat der HEM 4 im Lieferumfang: Eines mit Kabelfernbedienung (guter Druckpunkt, jedoch nur eine Taste, dadurch kompatibel mit iOS, Android & Co) und einem massiven L-Stück für den Miniklinke-Anschluss, das so robust aussieht als würde es auch das Überfahren mit einem Panzer problemlos wegstecken. Ein Mikro ist natürlich ebenfalls eingebaut. Das heißt, Telefonieren geht auch. Dabei drängt sich etwas der Vergleich mit dem Ferrari auf, der nur zum Brötchen holen genutzt wird. Aber möglich ist auch das. Das zweite Kabel ist quasi geflochten – und dadurch wenig anfällig für Verwickeln oder Verknoten. Gummistücke für die Ohren gibt es in mehr Größen als ein Mensch brauchen könnte – und dazu auch noch welche in Memory-Schaum. Ein kleines Hardcase und eine Plastikklammer zum Festclippen des Kabels am Kragen oder Revers sowie ein Reinigungsbürstchen runden das üppige Ausstattungspaket ab.
Unser Fazit
So viel Qualität war selten im Bereich In-Ear. Beim NuForce HEM 4 scheint einfach alles zu stimmen: Materialwahl, Klangwiedergabe, Ausstattung und eine richtig gute passive Unterdrückung der Umgebungslautstärke. Aber: Das hat natürlich seinen Preis. Knapp 300 Euro werden im Netz dafür fällig, die UVP des Herstellers liegt natürlich noch darüber. Profis werden ihre helle Freude haben, doch auch allen anderen – das nötige Budget vorausgesetzt – sei der HEM 4 absolut empfohlen. Wobei wahrscheinlich auch schon der HEM 2 (knapp unter 200 Euro im Netz) ausreichen dürfte, um klanglich in neue Sphären vorzustoßen. Wer aber nur seine Streaming-Musik hören möchte, für den bringen die Hörer der HEM-Serie nichts. Im Gegenteil: Sie legen die Schwächen hochkomprimierter Audio-Daten leider schonungslos offen!