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Eine Sternstunde dreier Meister
Eine Sternstunde dreier Meister
Der Pianist Keith Jarrett verbindet mit dem Jazzclub im Deer Head Inn im Ort Delaware Water Gap im US-Bundesstaat Pennsylvania zwei Erinnerungen: Zum einen spielte er dort mit 16 Jahren seinen ersten Gig in einem Jazzlokal. Zum anderen kam er dreißig Jahre später, am 16. September 1992, als er schon mit dem Schlagzeuger Jack DeJohnette und dem Kontrabassisten Gary Peacock sein „Standard Trio“ gegründet hatte, zu einem nur Insidern bekannten Überraschungsauftritt zurück – allerdings mit seinem früheren Weggefährten Paul Motian am Schlagzeug. Ein Freund ließ für eine private Dokumentation eine Bandmaschine mitlaufen. Glücklicherweise, denn Jarrett war von der lockeren Atmosphäre der Session so begeistert, dass er Teile daraus 1994 auf der Platte „At The Deer Head Inn“ veröffentlichte.
Wieder 30 Jahre später erscheinen nun weitere Aufnahmen von damals: wieder ein Glücksfall. Wie der Erstling präsentiert auch die zweite Folge überwiegend Standards, wobei das Trio in Cole Porters „Everything I Love“, Thelonious Monks „Straight, No Chaser“, Cole Porters „All Of You“, Nat Adderleys „The Old Country“ und Victor Youngs „Golden Earrings“ zupackende, mittlere Tempi bevorzugt. Im Gegensatz dazu schicken sie Jule Stynes „I Fall In Love Too Easily“ in fast sakrale Gefilde und lassen die Ballade „Someday My Prince Will Come“ transparent und sanft schweben. Mit der besinnlichen Schlussnummer, George Gershwins „How Long Has This Been Going On?“, stellt er eine Frage, die sich leicht beantworten lässt: Rund sechzig Jahre beschert uns Keith Jarrett schon exzellente Musik – zuletzt aus dem Archiv, da er nach zwei Schlaganfällen nicht mehr auftreten kann. Fazit: Eine Sternstunde dreier Meister!
Keith Jarrett: „The Old Country (More From The Deer Head Inn)“ ist bei ECM erschienen.