Auf seinem dritten Album „Our Daily Bread“ baut Joe Lovanos Trio Tapestry seinen offenen und lyrischen Ansatz mit aufmerksamstem Zuhören und intensivem Fokus weiter aus. Die Protagonisten kennen und schätzen sich seit langem: Die Pianistin Marilyn Crispell lernte der Saxofon-Alleskönner Joe Lovano in den 1980ern kennen, als sie in der Band von Anthony Braxton spielte. Noch weiter zurück reicht die Freundschaft mit Schlagzeuger Carmen Castaldi – die beiden wuchsen zusammen in Cleveland auf. Diese langjährige Verbundenheit und Vertrautheit ist dem 2018 unter dem Namen „Trio Tapestry“ gegründeten Dreierbund deutlich anzuhören. Das Zusammenspielt hat schon was von telepathischer Kommunikation. Auf Freunde kann man sich halt verlassen. Der Klavierpart ist mit Marilyn Crispell bestens besetzt. Die von Cecil Taylor für ihren Stil des „new lyricism“ verehrte Crispell setzt quasi die Naturgesetze außer Kraft. Mal erschafft sie mächtig wirbelnde Wasserstrudel, mal begleitet sie geerdet eine Ballade und klingt dabei extrem schwerelos. Der energetische Schlagzeuger Carmen Castaldi veredelt die Musik mit seinem eigenen poetischen Anschlag auf den Becken und entlockt den Gongs blühende Resonanzen.

In der Eröffnungsnummer des Albums „All Twelve“ wird das Zusammenspiel in einen Zwölfton-Kontext gestellt. Das Titelstück „Our Daily Bread” und „Grace Notes“ sind wiederum sehnsuchtsvoll in ihrem Ausdruck und scheinen aus derselben spirituellen Quelle zu schöpfen, die dereinst John Coltrane genährt hat.

Besonders eindrucksvoll ist auch das bluesige „One For Charlie“, eine solo auf dem Tenorsax gespielte Hommage an Charlie Haden. Dabei verleiht Lovano jeder einzelnen Note Bedeutung, so wie es einst auch der Bassist getan hatte, dem dieses Stück gewidmet ist. Lovano und Haden spielten im Laufe der Jahre in verschiedenen Kontexten zusammen, u.a. in Charlies Liberation Music Orchestra und in Paul Motians „On Broadway“-Band, die durch den Gitarristen Bill Frisell komplettiert wurde.

„Our Daily Bread“ wird von rhythmischer Ausdruckslust befeuert, welche die geheimnisvolle Welt der Musik vermittelt, die vor uns liegt”, schreibt Saxofonist Joe Lovano in den Linernotes zum neuen Album, wobei er sich auf seine elegant fließenden Stücke und eindringlichen Balladen bezieht. Im Laufe seines langen Jazzerlebens hat sich Lovano mit der gesamten Bandbreite dieser Musik auseinandergesetzt und sowohl innerhalb als auch außerhalb der Tradition gespielt.„Dies ist keine Band, die vom Beat geleitet wird“, betont Lovano. „Das Momentum liegt in der Melodie und der harmonischen Abfolge. Und der Rhythmus entwickelt sich in jedem Stück auf eine sehr frei fließende Art und Weise.“ Wohl wahr! Dieses Album ist einfach fantastisch und zwar in jeder Beziehung.

Joe Lovano/TrioTapestry: „Our Daily Bread“ ist auf dem Label ECM erschienen.