Carminho haucht dem Fado neues Leben ein

Carminho haucht dem Fado neues Leben ein

Was der Tango für Argentinien, ist der Fado für Portugal: musikgewordener Weltschmerz und nationale Identität. In den Armutsvierteln von Lissabon entstanden, geht es in den melancholischen, atmosphärisch dichten Gesängen des Fado um unerfüllte Sehnsüchte, verlorenes Liebesglück und soziale Ungerechtigkeit. Die aus einer Familie von „Fadista“ stammende Carminho gibt mit ihrer rauchigen Stimme und ihrem expressiven Vortragsstil dem nostalgischen Genre eine aktuelle, zeitgemäße Gestalt: „Ich will Musik von heute machen. Ich will ausdrücken, was mir der Fado heute sagt,“ erklärt die Tochter der bekannten Fadista Teresa Siqueira. Ihr neues Album „Portuguesa“ enthält 14 Songs und wurde von Carminho selbst produziert. Die Musikerin steuerte neben weiteren Songwritern auch einen Teil der Texte und traditionellen Fado-Kompositionen bei.

Über die Arbeit an dem Album sagt sie: „Portuguesa ist das Resultat zehn konzentrierter Tage in den Namouche Studios im März 2022, genauso flossen jedoch die beiden vorherigen Jahre darin ein. Ich bin immer auf der Suche nach diesem ganz speziellen Schwindelgefühl, bei dem ich mit neuen Kombinationen derselben Grundzutaten meine Identität finden kann. Das hier ist meine Geschichte, mein Ursprung, meine Einflüsse und die Musik, in der ich mich wiederfinde“.

Carminho verleiht dem portugiesischen Musikstil Fado Kraft, Leidenschaft und Tiefe – mit ihrem durchdringenden Verständnis für das tiefsinnige Traditionsgenre nimmt sie ihre Zuhörer mit auf eine schicksalhafte Reise. Zugleich gelingt es ihr, neue Klassiker zu erschaffen, die ihren persönlichen Stempel tragen. Carminho erkundet unterschiedliche Kombinationen innerhalb des Kanons, überdenkt die Form und bewegt sich in dem vertrauten Element so sicher wie ein Fisch im Wasser.

Carminho beherrscht alle Register. Ein gelungener Fado klingt wie eine Naturgewalt: Da bleibt kein Platz für Zweifel an der Echtheit dieses Moments. Carminho hätte schon mit 24 Jahren berühmt werden können. Aber damals ergriff sie die Flucht: „Ich hatte noch gar nichts zu sagen – nichts, worüber ich singen konnte mit ganzem Herzen. Also bin ich auf Weltreise gegangen. In Indien, in einem Hospiz, habe ich einen Tanz zwischen Leben und Tod erlebt, der mich aufgeweckt hat. Ich wollte meine Grenzen austesten und habe fest gestellt: Es gibt gar keine Grenzen! Der Moment, der Augenblick ist die Grenze, sonst nichts.“

Das Leben ist ein Fado: „Tudo isto é Fado“ – lautet der Titel eines populären Liedes aus Lissabon. Der Fado ist einfach alles: Freude, Leid, Trauer, Weltschmerz – die musikalische Visitenkarte Portugals und speziell Lissabons. Im Fado-Museum von Lissabon hat Carminho längst ihren Platz und ist – ähnlich wie Misia, Mariza oder Cristina Branco – auch weit über ihre Heimat hinaus ­bekannt.

Carminho: „Portuguesa“ ist bei Warner Music erschienen.

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