Neue Reisebuchtipps der wegotmusic.de Redaktion
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Über Hörvergnügen aller Art berichten wir seit Langem bei wegotmusic.de. Doch auch die Ohren brauchen einmal Urlaub. Also wollen wir gerade zum bevorstehenden Jahreswechsel auch den Augen und den Gedanken der Vorfreude auf andere Länder einmal Raum bieten. Und so ist es gute Tradition, dass wir über den musikalischen Tellerrand hinaus blicken.
So soll es an dieser Stelle um Reisebücher gehen. Gerade nach den Corona-Beschränkungen wollen die Menschen raus aus ihren vier Wänden und die große oder kleine Welt erkunden. Wir haben drei Reiseführer aus dem Michael Müller Verlag unter die Lupe genommen, zwei mit dem Thema Italien – Piemont und Apulien – sowie den Städteführer Porto. Selten kamen wir nach der Lektüre so einstimmig zu einem Urteil: Kompakt, aktuell und sehr informativ sind alle drei Reiseführer.
Doch der Reihe nach: Piemont mit Ausflügen ins Aostatal von den beiden Autoren Sabine Becht und Sven Talaron ist eine wahre Fundgrube für Urlauber, die in der nördlichen Region Italiens auf Entdeckungstour gehen wollen. Wie ein schützender Umhang legt sich der Westalpenbogen mit seinen imposanten Viertausendern um Italiens größte Festlandregion. Tief eingeschnittene Täler bieten Wanderern zahllose Möglichkeiten. Die Region ist aber auch ein Lieblingsziel von Weinkennern, für die das Piemont mit seinen Spitzengewächsen mindestens so bedeutend ist wie die Toskana.
Monferrato, Toero und Langhe heißen die Landstriche rund um Alba und Asti, aus denen die brühmtesten Weine Piemonts stammen: Barolo, Barbaresco und Barbera. Schier endlose Weinberge mit uralten Dörfern, prächtigen Castelli und zahllose Osterien lassen Genießerherzen höher schlagen.
Wein oder Wandern könnte also die Frage sein, wären dazwischen nicht noch unzählige Kulturstädte – allen voran Turin, die Residenzstadt der Savoyer. Darüber hinaus führt die Reise an den Lago Maggiore, ins französisch geprägte Aostatal, die kleinste Region Italiens, mit grandiosen Skigebieten.
Das Aostatal wird jedenfalls gebührend gewürdigt. Und das nicht von ungefähr. Burgen, Schlösser und antike Zeugnisse aus römischer Zeit, berühmte Viertausender wie Montblanc, Matterhorn, Monte Rosa und Gran Paradiso und jede Menge Naturparadiese prägen das Tal und seine Seitentäler.
Der Band erfüllt alle Erwartungen, er bereitet Lesevergnügen vor der Reise und ist auch in hohem Maße geeignet zur Vorbereitung auf den Trip selbst und äußerst hilfreich während der Reise. Damit ist über die Qualität des Piemont-Führers alles gesagt.
Sabine Becht/Sven Talaron: Piemont, 2022, 432 S., Michael Müller Verlag, 21,90 Euro
Vom Norden ganz in den Süden von bella italia nach Apulien. Andreas Haller, der den Reiseführer Apulien verantwortet, ist ein profunder Kenner des Mezzogiorno. Schon als Jugendlicher zog es ihn nach Apulienim äußersten Südosten des italienischen Stiefels. gelegen. Die Mezzogiorno-Region präsentiert sich dem Besucher auf knapp 20 000 qkm Fläche und auf fast 800 Küstenkilometern an zwei Meeren vielschichtig und abwechslungsreich: Von der Ebene der Tavoliere um Foggia bis zum felsigen, im Innern über 1.000 m hohen Gargano, dem Sporn des Stiefels, oder der lang gezogenen Stiefelferse, dem Salento, sind alle Sehenswürdigkeiten aufgeführt und beschrieben. Dazu Badeurlaub vom Feinsten an den weißen Sandstränden des Gargano, bummeln in Lecce und viel Geschichte in Castel del Monte. Apulien ist weit mehr als manch andere Region Italiens, ein Land für Individualtouristen jeglicher Art, schreibt Haller an einer Stelle. Angaben zu Unterkunft und Verpflegung sind selbstverständlich und zahlreich. Sie reichen vom Viersternehotel bis zu Camping und Agriturismo.
Fazit: Wer einen ausführlichen Apulien-Reiseführer sucht, kommt an diesem nicht vorbei, zumal der Band alle wichtigen Adressen enthält, die man in anderen Führern vergeblich sucht. Apropos: Allein den Tremiti Inseln widmet Andreas Haller 12 Seiten!! Ein Reiseführer der Extraklasse.
Andreas Haller: „Apulien“, 2022, 456 S., Michael Müller Verlag, 23,90 Euro
Nächste Station ist Portugal, genauer gesagt Porto, die traumhaft schöne Stadt am Douro-Fluss. Mit 240 000 Einwohner ist sie die zweitgrößte Stadt des Landes. Der ursprüngliche Stadtkern um den Bischofshügel, etwa zwei Kilometer flussaufwärts der Flussmündung in den Atlantik, zieht sich steil hinunter zum Rio Douro. Die spektaluläre Szenerie wird gekrönt durch die Stahlskelett-Brücke, welche Porto mit Vila Nova de Gaia verbindet. Michael Müller, der Autor des Reiseführers Porto hat ein Händchen für die vielen interessanten und liebenswerten Dinge dieser besonderen Stadt. Klar, Porto ist die Stadt des Portweins.Die Weinberge, auf denen die Trauben für diesen speziellen Süßwein angebaut werden, erstrecken sich entlang des Rio Douro. Seit 1756 dürfen nur Trauben aus einem per Gesetz genau definierten Gebiet zur Herstellung des Portweins verwendet werden. Ab dem späten 17.Jh. wurde der süße Aperitiv-Wein Vinho do Portovon Porto aus in viele Länder verschifft.
Gefühlt ist Porto nach Lissabon oft die ewige Nummer 2. Doch das stimmt nicht. Porto ist ein attraktives Reiseziel und gerade zur Hauptsaison eine gute Alternative zu dem überlaufenen Lissabon. Das kulturelle Leben in Porto ist auf einem hohen Niveau. Dies nicht erst seit 2001, dem Jahr als Porto europäische Kulturhauptstadt war. Der berühmteste Sohn der Stadt ist Heinrich der Seefahrer, der durch seine Entdeckungen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Grundlagen für die Blütezeit Portugal als große Seefahrernation legte.
Ausführlich führt der Autor den Leser auf acht Touren durch Porto. Etwa durchs Centro Historico, rund um die Kathedrale, vom Jardim da Cordoaria zum Museo Romantico, durch den Osten der Stadt oder durch den Westen nach Matosinhos. Müller erkundet die verwinkelten Gassen der Stadt am Atlantik, einladende Plätze und prächtige farbenfrohe Viertel – bekannte und noch unbekannte Sehenswürdigkeiten. Zusätzlich findet man Ausflüge an Atlantik-Strände und in die nähere Umgebung.
Alles in allem: Michael Müller führt uns kenntnisreich auf 168 Seiten mit 84 Farbfotos durch die Stadt an der Mündung des Douro. Dank 32 Karten und Plänen samt herausnehmbarem Stadtplan im Maßstab 1:7.000 verliert man nie die Orientierung. Ein Stadtführer par excellance alles vor Ort akribisch recherchiert.Eingestreute Kurz-Essays vermitteln interessante Hintergrundinformationen dazu gibt es viele Geheimtipps.
Michael Müller: „Porto“, 2021, 168 S., Michael Müller Verlag, 12,90 Euro
Unser vierter Tipp ist kein Reiseführer im klassischen Sinn. Auch kein Kochbuch, was bei einem Koch naheliegend wäre. Nein Vincent Klinks Werk „Ein Bauch spaziert durch Venedig“ ist eher ein Reisetagebuch, das die Vielfalt der Kunst und Architektur dieser Stadt zum Thema hat, angereichert mit vielen Anekdoten aus der Küchen- und Kulturgeschichte derSerenissima.
Vincent Klink liebt die Lagunenstadt über alles. Wenn Venedig ruft, kann Vincent Klink nicht widerstehen. Spannende Spaziergänge sind das Ergebnis seiner Exkursionen.Klink ist ein Allroundtalent – in seinem Stuttgarter Restaurant Wielandshöhe verwöhnt er die Gäste auf Sterne-Niveau, er malt, fertigt Holzschnitte an, musiziert, liebt die Malerei, schreibt Bücher, und er ist ein sehr belesener Mann. Seinen Bauch hat er schon durch Wien und Paris spaziert – daraus sind zwei wunderschöne Bücher entstanden – und jetzt trägt er ihn durch Venedig, die Stadt, die ihn seit 40 Jahren einfach nicht loslässt.
Klinks neues Buch enthält viele Geschichten und viel Geschichte. Eine wunderbare Lektüre mit langem Nachhall, kein Kochbuch: Es enthält doppelt so viele Empfehlungen für Kirchenbesichtigungen wie Rezepte. Aber ob Schauen oder Speisen – am Ende, so der Maestro, geht es doch bei allen Reisen um Eines: die Einverleibung des Schönen.
Klink besucht bekannte und weniger bekannte Orte, frönt der Kunst und lässt uns an seinen oft tiefgründigen Gedanken teilhaben. Das zeigt, dass dieses Buch kein typischer Reiseführer ist, sondern mehr einem Reisetagebuch ähnelt. Venedig besitzt Kunstwerke en masse. Nicht nur die bekannten Museen der Stadt können mit Kunstwerken der Extraklasse aufwarten, fast jede Kirche besitzt einen Tizian, Tintoretto oder Tiepolo. Und er zeigt sie uns die Höhepunkte venezianischer Malerei von Bellini bis Tiepolo.
Auch die vielen versteckten Kleinode in den unterschiedlichen Stadtvierteln verrät er, schippert mit uns auf die Friedhofsinsel Isola San Michele und sogar bis nach Torcello, um in der „Locanda Cipriani“, wo schon Hemingway Erholung (und gutes Essen) fand, zu speisen.Er präsentiert einen der schönsten Palazzi Venedigs: das Ca d’Oromit der Kapelle des Hl. Sebastian. Mit dem Vaporetto geht es dann zur „Palazzo-Parade“ über den Canal Grandenach Cannaregio. Es folgt ein Gang durch das ehemalige jüdische Ghetto Venedigs. Es ist seit über fünf Jahrhunderten das Herz der lokalen jüdischen Gemeinde. Ein Highlight ist danach die Kirche Santa Maria della Salute. Bei diesen Besuchen und Besichtigungen zeigt sich Klinks ausgezeichneter Kunst- und Literaturverstand. Dennoch sind seine Erklärungen nie langweilig, sondern gespickt mit Anekdoten, Zitaten und Literaturhinweisen und das auf typisch trockene schwäbische und manchmal auch selbstironische Art.
Eingefügt in den Text sind immer wieder Fotos, die nicht nur Kunst, sondern auch verschiedene Gerichte zeigen. Damit man keine Örtlichkeit in der etwas unübersichtlichen Lagunenstadt verpasst, sind sowohl eine Landkarte von Venetien und seinen angrenzenden Regionen und vor allem, und ganz wichtig, ein Stadtplan in den Buchdeckeln sowie eine Auflistung der Kirchen mit ihren zugehörigen Kunstwerken im Anhang zu finden. Es macht einfach unglaublich viel Spaß Klink zu folgen und wenn er dann auch noch ein paar Rezepte zum Besten gibt, ist der Genuss vollkommen.
Fazit: Kunst und Geschichte gepaart mit Kulinarik – das kann nur Vincent Klink in seinem lässig-deftigen Stil so gekonnt verbinden.
Vincent Klink: „Ein Bauch spaziert durch Venedig“, 315 Seiten, Rowohlt-Verlag, 25 Euro