Grandiose Musik von Andrew Cyrille und Band

Grandiose Musik von Andrew Cyrille und Band

Nach Privatunterricht, u. a. bei Philly Joe Jones, arbeitete Andrew Cyrille seit Ende der 1950er mit Roland Hanna, Illinois Jacquet oder Roland Kirk zusammen. Seit 1965 spielte er zehn Jahre lang in der Gruppe von Cecil Taylor. Anschließend hat er eine eigene Gruppe mit David S. Ware gegründet, tourte mit Carla Bley und spielte mit den Ensembles von Anthony Braxton, Marilyn Crispell, Reggie Workman, Horace Tapscott und David Murray. Er nahm weiterhin Platten mit James Newton, mit Peter Brötzmann, mit Richard Teitelbaum und mit Irène Schweizer auf.

Cyrilles Konzeption ist allumfasend: Abstraktion, konventioneller Jazz, afrikanische und andere ethnische Elemente sind Wasser auf seine Mühlen. Er ist ein perfekter Perfektionist, der stets kosmopolitisch denkt und spielt und den Überblick behält. Jetzt liegt sein aktuelles Album vor. Auf „News“ hört man zunächst vereinzelte Töne, Rascheln, Geräuschhaftes und Keyboardraunen. Das fünfeinhalbminütige, von Andrew Cyrille konzipierte Stück gab dem Album den Titel, den der Bandleader gegen Ende mit den Worten „North, east, west and south – the news“ zusammenfasst.

Die übrigen sechs Titel wirken weniger sperrig und widersprüchlich. Im Track „Dance Of The Nuances“ fügt sich alles deutlicher zu einem großen Bogen. Damit schaffen der Schlagzeuger Andrew Cyrille, der Gitarrist Bill Frisell, der Pianist David Virelles und der Kontrabassist Ben Street eine ganz besondere Atmosphäre aus Verbindlichem und scheinbar Unverbindlichem.

Jenseits aller Hektik sind es die schwebenden Klänge im von Virelles konzipierten „Incienso“. Das folgende, von Bill Frisell stammende „Baby“ zeigt eine country-betonte Gitarre und sanfte Hammond-Sounds. Frisell steuerte zwei weitere Stücke bei: das ebenfalls mit Country-Feeling spielende „Mountain“ und das mit dem Motiv von Duke Ellingtons „Happy Go Lucky Local“ kokettierende „Go Happy Lucky“. Ähnlich dicht wirkt das Ensemble in „Leaving East Of Java“, einem Stück von Adegoke Steve Colson sowie in Cyrilles finalem „With You In Mind“, zu dessen Beginn er ein seiner Frau gewidmetes Liebesgedicht rezitiert. Stets behält das intensive, feinsinnige Zusammenspiel in dieser Band die Oberhand.

Cyrille ist mit 81 Jahren gelassener denn je. Sein Spiel ist unaufdringlich, aber höchst eindrucksvoll. Statt auf große Gesten setzt er auf feingliedrige Akzentuierungen. In Kombination mit Frisell, Virelles und Street gelingt ihm dabei erneut Musik, die fesselt. Der Mann, der 60 Jahre Jazz-Geschichte auf dem Buckel hat, ist ein Meister der Reduktion und gedämpften Lautstärke, umspielt die Metren, deutet an, setzt kommunikative Akzente, kreiert außergewöhnliche Sounds und Stimmungen. Immer dezent und stets präsent. Dieses Album hat das Prädikat „herausragend“ verdient.

Andrew Cyrille Quartet: „News“ ist auf dem Label ECM erschienen.

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