Brad Mehldau an der Schnittstelle von Jazz und Klassik

Brad Mehldau an der Schnittstelle von Jazz und Klassik

Was hat dieser Musiker eigentlich noch nicht vollbracht? Er spielte solo, im Duett, im Trio, mit Big Bands. Jazz, Pop, Klassik. Und er gewann jede Menge Preise. Eben weil er mit dieser Experimentierfreude immer wieder großartige und vor allem neue Musik hervorgebracht hat. Mit 50 Jahren zählt der Amerikaner Brad Mehldau zu den besten Pianisten seiner Zeit. Jetzt veröffentlicht er ein Album an der Schnittstelle von Jazz und Klassik. Gemeinsam mit dem Orpheus Chambers Orchestra, das in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag feiert.

Mehldaus neues Album heißt „Variations On A Melancholy Theme“. An den Aufnahmen war neben dem Pianisten und Komponisten das Orpheus Chamber Orchestra beteiligt, das Mehldau mit dem Erstellen der orchestralen Version des Werks beauftragt hatte. „Variations On A Melancholy Theme“ umfasst elf Variationen eines Themas, sowie eine Kadenz und ein Postludium.
Außerdem enthält es mit „Encore: Variations „X & Y“ eine Zugabe. Mehldau komponierte die Variationen eines melancholischen Themas ursprünglich für den amerikanisch-russischen Pianisten Kirill Gerstein, brachte das Material aber zusammen mit dem Orpheus Chamber Orchestra auf die Bühne. Eine gemeinsame Tour führte Mehldau und das New Yorker Kammerorchester quer durch Europa, Russland und Amerika, wo unter anderem eine Aufführung in der Carnegie Hall auf dem Programm stand. Über die Kombination der Klassik-Form mit Jazz-Harmonien, auf der die musikalische Sprache des Werks fußt, schrieb Mehldau: „Ich stellte es mir so vor: Brahms wachte eines Morgens auf und hatte den Blues.“  

Tatsächlich verbreitet schon das kleine Motiv zu Beginn eine eigentümliche Melancholie. Nach Vorstellung des Themas tritt mit Variation 1 ein wogendes Orchester im Walzertakt in Erscheinung, mit leicht klagenden Holzbläsern und Streichern. In Variation 2 werden die Streicher enervierender, dramatisiert durch Blech und Flöten, und bald darauf rhythmisieren Perkussionisten auf Holzblöcken und Snare-Drums das Ganze. All das passiert schon in den ersten beiden von Mehldaus Variations, also in den ersten gut sechs Minuten des insgesamt nur halbstündigen Werks. Variation 3 und 4 mäandern dann in einem schnellen Fünfachteltakt, bevor sich Mehldau in Variation 5 vom ursprünglichen Motiv entfernt und mehr eckigen melodischen Formen zuwendet. Es folgen eine kurze rasante Passage für Piano-Solo (Variation 6) und ein zwölftöniger Teil nur für Orchester (Variation 7). Variation 8 bringt einen „düsteren, stattlichen Austausch zwischen Orchester und Klavier“, so der Komponist. Die Harmonie ist hier am dichtesten. Einige Teile, wie die Variationen 9 und 10, scheinen „als beiläufigere Gegenerwiderung auf die beiden vorherigen“ miteinander zu kommunizieren. Und mit „Cadenza“ und „Postlude“ schließt das Stück dann mit einer Klavierkadenz und einer Coda ab.

Ob diese kurze Werk geglückt ist oder nicht, muss jeder Hörer für sich entscheiden. Gewiss ist es das schöne, knappe und vielseitige Statement eines Jazzkünstlers, der nie seine Affinität zur klassischen Musik versteckt hat. Leichte Kost zum Nebenbeihören ist es allerdings nicht.

Brad Mehldau/Orpheus Chamber Orchestra: „Variations on a Melancholy Theme“ ist auf dem Label Nonesuch / Warner erschienen.