Über den (Platten)Teller: Kochbücher von Format

Über den (Platten)Teller: Kochbücher von Format

Wie jedes Jahr erweitern wir vor Weihnachten unseren musikalischen Fokus ein wenig – so auch 2020. Und tatsächlich sind auch in diesem Jahr einige interessante Kochbücher erschienen. Dennoch ist es manchmal schon frustrierend, sich durch das Angebot der vielen Neuerscheinungen zu arbeiten. 80 Prozent aller Werke lohnen nicht die Mühe des Lesens oder Nachkochens. Zum Glück finden sich allerdings auch einige spannende Gegenbeispiele im Berg der Langeweile. Autoren, die sich wirklich ins Thema eingearbeitet haben. Manche behandeln eine bestimmte Frucht, andere eine einzige Spezialität, eine Zubereitungsform oder eine kulinarische Kultur.

Die Genusswelt der Alpen

Dieser schwergewichtige Band ist ein Reise- und Kochbuch in einem. Der Leser wird entführt in die alpine Bergwelt Italiens, Österreichs, Frankreichs und der Schweiz.
Mit großartigen Fotos, gut recherchierten Texten und Rezepten der regionalen Alpenküche bringt die kanadische Autorin Meredith Erickson die ganze Geschmacksvielfalt dieser Bergregionen dem Leser näher. Meines Erachtens ist der Alpenraum kulinarisch heute noch ähnlich spannend und unerschlossen, wie einst das kulinarische Skandinavien.

Während ihrer Reise quer über die Alpen hat Erickson Rezepte und Geschichten gesammelt, die typisch sind für die raue, aber überaus herzliche und romantische Bergwelt. Ihr Band mit dem Titel „Alpen Kochbuch“ – auf dem Buchdeckel prangt das imposante, 4810 Meter hohe Matterhorn – ist in vier große Kapitel unterteilt. So widmet sie sich Hütten und Chalets, den abgelegensten rifugi und rustikalen Stuben – und natürlich vor allem den typischen Gerichten: Knödel mit Speck und Radicchio, Würste, nahrhafte Suppen oder Fondue und Mehlspeisen. Obendrein gibt es reportageartige Geschichten über die alpine Kunst, den Wein, die Tour de France, Hochgebirgszüge, Grandhotels und natürlich die Menschen, die die Gegend prägen und von ihr geprägt wurden. Die Quintessenz dieses Streifzugs durch die Töpfe und Pfannen der Alpenküche lautet: jedes Tal schmeckt einzigartig. Sechs Jahre Arbeit stecken in diesem prächtigen Band der Kanadierin. Alles ist sehr atmosphärisch und dennoch modern fotografiert.  Herausgekommen ist ein Augen- und Genussschmaus! Es macht einfach Spaß in diesem Werk zu schmökern und zu lesen. In diesen Corona-Zeiten sind solche Bücher doppelt wichtig für Seele und Gemüt.

Meredith Erickson: „Alpen Kochbuch“, Prestel Verlag, 350 Seiten, 38 Euro 

Der kulinarische Reichtum Siziliens

Das Tor zur Welt gibt es nicht mehr. Corona bestimmt unseren Alltag. Unser Zuhause ist jetzt unsere Welt im Kleinen. Doch Reisen im Kopf sind erlaubt. Wie wär’s mit Sizilien.

Die waschechte Sizilianerin Cettina Vicenzino bringt uns in ihrem Buch „Sizilien in meiner Küche“ mit Porträts, Geschichten und 70 typischen Rezepten diese Küche näher. Ihr Geheimnis: Die Inselküche orientiert sich an der Erde und am Meer, an dem, was die Natur seit Jahrhunderten zu bieten hat. Viele Produkte werden direkt aus der Wildnis gepflückt und gefangen. Die Vulkanerde und das Klima machen die Küche besonders reich an Vitaminen und Mineralien. Den einzigartigen Geschmack verdanken die italienischen Rezepte aber auch den Sizilianern selbst: Die Einheimischen sind Meister in der Kombination verschiedener Geschmacksrichtungen und gehen mit Kochregeln lange nicht so streng um, wie die Köche des Festlands. Stattdessen wird auf der Insel das Beste aus der italienischen und der arabischen Küche verbunden und daraus eine eigensinnige und unglaublich vielseitige Küche erschaffen. Das Schöne an diesem Buch ist aber auch, dass Vicenziono Gerichte vorstellt, die nicht in jedem Kochbuch auftauchen. Stattdessen hat sie sich auf die Suche nach Rezepten begeben, die nicht durch die Touristenküche vereinnahmt worden sind und ganz viel Sizilien und sizilianische Zutaten im Herzen tragen. Dabei kommen so ansprechende Kombinationen auf den Tisch wie Stockfisch mit Oliven, Kapern und Birne oder Schwerfischröllchen mit Kapern und Pistazien. Letztere kombinieren Zutaten der ganzen Insel, darunter Kapern aus der Region Trapani, Pistazien aus Bronte und den Schwertfisch, der vorwiegend in der Meerenge zwischen Kalabrien und Sizilien gefischt wird.

Die Rezepte sind übersichtlich gegliedert und problemlos zu kochen. Das Buch ist klassisch strukturiert. Die Gerichte werden nach Primi, Secondi, Piatto Unico, Intermezzi, Dolci und Bevande unterteilt. Die fantastischen Fotos aus allen Provinzen machen das Buch zudem zu einem wunderschönen, schwelgerischen Augenschmaus. Vicenzinos Anspruch die Rezepte stets historisch oder lokal zu verorten, ist vorbildlich. So liest man, dass die weiße sizilianische Focaccia von den Nonnen des Klosters San Vito erfunden wurde, oder dass die pikant-süße St.-Bernardo-Sauce antiken Ursprungs ist. „Sizilien in meiner Küche“ ist ein besonderes Kochbuch-Erlebnis.

Cettina Vicenzino: „Sizilien in meiner Küche“, Dorling Kindersley Verlag, 240 Seiten, 28 Euro.

All’ Orto: Grandiose Gemüseküche

Wir wollen den notorischen Kochbuchsammlern nicht zu nahe treten. Aber sind wir mal ehrlich: Von all den vielen Kochbüchern, die jedes Jahr die Buchhandlungen fluten, könnte man gut auf das eine oder andere verzichten. Das neue Kochbuch „All’ Orto“ vom Basler Autor und Foodblogger Claudio Del Principe gehört gewiss nicht dazu. Wiederum ist es eine Ode an das Thema Zeit und Langsamkeit, mit der das entspannte, erwartungsfreudige Kochen zelebriert wird.

Der Mann sagt von sich, er sei süchtig nach Kochen. Seine Rezepte wirken immer sehr spontan und authentisch, sie machen neugierig und wecken die Kochleidenschaft anderer. Seine Devise: „less is more“. Seine Bücher sind eigentlich Lesebücher, wo Platz ist für Anekdoten, Gesellschaft, Kultur und Trends. Fragt man ihn was eine gute Küche ausmacht, dann antwortet er: die Sorgfalt. Und die beginnt schon beim Einkauf der Produkte. Und weiter: Kochen ist Handwerk, bei dem Zeit die wichtigste Zutat ist. Wo Zeit gespart wird, bleibt meist der Geschmack auf der Strecke, so Claudio Del Principe. Optisch kommt sein aktuelles Buch vergleichsweise schlicht und unaufgeregt daher. Aber das Buch hat es in sich: Richtig gute, ehrliche Rezept, Tipps und Anregungen, die selbst passionierten Hobbyköchen gefallen dürften. Und das Wichtigste: Das Buch macht definitiv Lust aufs Kochen.

Claudio del Principe nimmt uns mit in die simple und zugleich charakterstarke Gemüseküche Italiens, frisch geerntet im „Orto“, dem italienischen Gemüsegarten. Wer seine bereits erschienene Bücher „a casa“, „al forno“ und „a mano“  gelesen hat, weiß: humorvoller und persönlicher schreibt kaum jemand Kochbücher. Fazit: Das Buch ist ein flammendes Plädoyer für gutes, verantwortungsvoll produziertes Gemüse und außerdem ein Kochbuch der Extraklasse!

Claudio del Principe: „All’ Orto“ – Grandiose Gemüseküche, AT Verlag, 256 Seiten, 34 Euro.

Kägi kocht – ein Küchenhandbuch

Aus diesem Küchenhandbuch lernt man viel, sehr viel. Es heißt „Kägi kocht“ und der Autor Richard Kägi kocht ziemlich gut. Das beweist er seit vielen Jahren. Obwohl er nicht Koch, sondern Maschinenmechaniker gelernt hat. Aber erst jetzt hat der Foodscout die „Mitbringsel“ seiner Reisen, Restaurantbesuche und als Gastgeber in dieses Buch gepackt. Und genau so liest sich das Buch auch: als Sammelsurium von Erlebtem. Kägi präsentiert Klassiker auf eine neue Art: Caesar Salad, das perfekte Steak, Sugo Pomodoro und Rösti – aber auch überraschende Kombinationen wie Burrata mit Orangensalat, selbstgemachte Vanilleessenz, geräucherte Tomaten und außergewöhnliche Desserts. Kägi kennt die Tricks der Starköche und weiß um ihre besonderen Gewürze, Saucen und Marinaden, die den großen Unterschied machen. Die wichtigsten Zutaten? Die wichtigsten Küchengeräte? Hilfe bei der passenden Weinwahl? Dazwischen erzählt er in kurzweiligen Episoden von seinen Erlebnissen als Foodscout – über die nie endende Suche nach den besten Salumi, vom Vanilledrama in Madagaskar und dem Sushiglück in Tokio. Stets stehen die Produkte im Fokus.

Es geht los mit den Basics: Einmachen, Öle, Kräuterbutter, Saucen, Fonds usw. Die folgenden Rezepte sind nicht nach Saison oder Menüabfolge gegliedert. Sondern nach Zutaten. Eier, Aceto Balsamico, Kartoffeln, Auberginen, Kürbis, junges Rind und viele mehr. Kägi bezeichnet sie als die „wichtigsten Zutaten“. Dinge, die nie ausgehen sollten. Die Rezepte bestechen durch ihre Einfachheit und Klarheit. Kägi führt sehr verständlich durch die Rezepte. Und er erklärt immer  wieder, wieso er etwas macht, wie er es macht. Das sorgt nicht nur für perfekte Gerichte, sondern schult eben auch die eigenen Küchenfertigkeiten und fördert das Verständnis für Lebensmittel. Der Mann bringt viele Eigenschaften mit um am Herd zu stehen: Ich koche, weil ich gerne koche und noch lieber gut esse, lässt er wissen. Kochen soll uns aber auch Demut lehren, Achtung vor guten Produkten und vor den Menschen, die keine Mühe scheuen, sie für uns herzustellen. Wer eher klassische Kochbücher in seiner Sammlung hat, wird überrascht sein. Alleine das – grandiose – Layout entspricht nicht unbedingt dem, was man hierzulande so kennt. Und auch die Foodbilder kommen in ungewohnter Manier daher.

Richard Kägi: „Kägi kocht“ – Rezepte für mehr Geschmack, AT-Verlag, 336 Seiten, 45 Euro

Immer wieder vegan

Vegane Kochbücher gibt es mittlerweile schon in Hülle und Fülle, doch „Immer wieder vegan“ unterscheidet sich grundlegend von allen anderen. Ein Buch für alle, nicht nur Veganer! Ein stärkerer Verzicht auf tierische Produkte schont nachweislich Klima und Umwelt. Das steht fest!  Doch wie funktioniert das im Alltag am besten? Mit guten Rezepten und Kochbüchern wie dem von Katharina Seiser. Wie schon in ihrem Bestseller „Immer schon vegan“ (inwischen in 8. Auflage) hat Seiser auch für das Buch „Immer wieder vegan“ ausnahmslos Gerichte zusammengestellt, die immer schon ohne tierische Produkte auskamen. „Sie wurden nur nie als „vegan“ bezeichnet, weil das Wort erst einige Jahrzehnte alt ist. Die Gerichte aus diesem Kochbuch stammen aus rund 30 Ländern und haben eine viel längere Tradition als der Begriff „vegan“. Besonderes Merkmal: Keines der Gerichte enthält auch nur ein einziges Ersatzprodukt. „Ich halte Ersatzprodukte – wie alle industriell hoch verarbeiteten Nahrungsmittel – für keine gute Idee, weil sie uns mit zugesetzten Aromen, Geschmacksverstärkern, Konservierungsmitteln und anderen Zusatzstoffen unsere Ernährungssouveränität ein Stück weit nehmen.“

Seiser ist Verfechterin einer saisonalen Küche. Logisch also, dass auch die Rezepte in ihrem Kochbuch nach den Jahreszeiten geordnet sind. Innerhalb der Jahreszeiten sind sie wiederum nach „Frühstück“, „kalt,“ „lauwarm“, „warm“ und „süß“ geordnet. Einige Beispiele: Frühling: rote Linsenbällchen, Gemüsesalat mit frischem Kokosdressing, Sommer: gebratene Auberginen aus dem Ofen, toskanischer Brotsalat, mallorquinischer Sommergemüseauflauf, Herbst: Focaccia mit Kirschtomaten, Quinoasalat mit Paranüssen, Falafeln mit Tahinsauce, Winter: Porridge aus grünen Bananen, Polenta mit Schwarzkohl, Kletzenbrot. Dieses Kochbuch richtet sich ausdrücklich nicht nur an Veganer. Und es will auch niemanden zum Veganer machen. Sondern einfach nur zeigen, wie spannend, vielseitig und abwechslungsreich eine Küche ohne tierische Lebensmittel sein kann

Katharina Seiser: „Immer wieder vegan“, Brandstätter Verlag, 192 Seiten, 28 Euro 

Bodenständige Japan-Küche

Gibt es überhaupt japanische Küche jenseits von Sushi, dem rohen Fisch? Ja, die gibt es. Doch nur die Wenigsten wissen davon oder sie trauen sich nicht so recht, japanische Rezepte auszuprobieren. Doch die Berührungsängste sind unbegründet. Das berühmte Sushi ist nur ein winzig kleiner Teil aus dieser vielfältigen und spannenden Küche. Um die japanische Küche zu verstehen, sollte man mit einer Dashi anfangen, sagt Harumi Kurihara deren Kochbuch „Harumis leichte japanische Küche“ kürzlich erschienen ist. Die aromatische Fischbrühe Dashi (Sud aus Fischflocken und Algen) zählt zu ihren wichtigsten Zutaten. Harumi Kurihara ist die wohl berühmteste kulinarische Ideengeberin ihres Landes. In den vergangenen 30 Jahren hat sie über 4000 Rezepte verfasst, 140 Kochbücher und Magazine veröffentlicht und etliche Fernsehsendungen rund um die Zubereitung von Speisen moderiert. Eine Frau vom Fach also. Ihr sollte man sich anvertrauen oder besser gesagt ihrem Buch.

Neben Klassikern wie Onigiri (gefüllte Reisbällchen) und Okonomiyaki (japanische Pfannkuchen) enthält es viele Gerichte, die aus westlicher Perspektive eher untypisch wirken, aber zum Standardrepertoire der japanischen Alltagsküche gehören. Zum Beispiel ein Makkaroni-Gratin, das Harumi mit Garnelen, Hähnchen und Pilzen zubereitet – so, wie es ihr 2019 verstorbener Ehemann am liebsten mochte. Kuriharas viele Tipps sind praxisnah und umfassend. Es geht ihr schlussendlich um Hausmannskost wie beispielsweise Gyoza (Teigtaschen), Zaru Soba (Buchweizennudeln) und anderes mehr. Das sind schnelle Alltagsgerichte, die schmecken. Bodenständigkeit ist das Gebote der Stunde. Ihre rund 60 authentischen Rezepte haben das Zeug Vorurteile bei Europäern abzubauen und zeigen überdies man muss kein Perfektionist sein, um japanisch zu kochen.

Harumi Kurihara: Harumis leichte japanische Küche, Dorling Kindersley Verlag, 240 Seiten, 24,95 Euro

Eichelmann-Weinführer stellt 11000 Weine vor

Der Eichelmann gilt als das Standardwerk für deutschen Wein, stellt in der 21. Ausgabe 965 deutsche Weingüter und 11000 Weine aus den 13 deutschen Weinbauregionen vor. Porträts von rund 1 000 Weingütern mitsamt hilfreichen Weinempfehlungen bieten die beiden auch als App verfügbaren Weineinkaufsführer.

„Wieder ein toller Jahrgang für das Kiedricher Weingut.“ Dies bescheinigen die Kritiker Wilhelm Weil und seinem Team. Mit edelsüßen Weinen hat Wilhelm Weil dem Weingut in den neunziger Jahren zu weltweitem Renommee verholfen. Fast in jedem Jahr wird eine Vielzahl an edelsüßen Rieslingen bis hin zur Trockenbeerenauslese erzeugt, aus dem Gräfenberg, aber auch aus dem Turmberg, Weine für die „gefühlte Ewigkeit“, wie es im Weinführer Eichelmann heißt. Auch Kabinett und Spätlesen begeistern die Kritiker im Jahrgang 2019, so dass die Auszeichnung als Weingut des Jahres die logische Konsequenz ist.

Gerhard Eichelmann: Eichelmann 2021 Deutschlands Weine, Mondo Verlag, Heidelberg, 1248 Seiten, 35 Euro

Standardwerk der Extraklasse

Dieses Kochbuch stellt natürlich alles in den Schatten, was die meisten von uns im Regal haben. Es ist sehr dick und schwer (es wiegt zwei Kilo), der Schnitt ist dunkelblau und der Einband aus Stoff. Mit anderen Worten: es macht nicht nur inhaltlich viel her, sondern auch optisch. Der Autor Stevan Paul erklärt zunächst die Grundlagen (Zutaten und Kochschritte), was die Arbeit wesentlich erleichtert. Dazu gibt er Ratschläge zum Würzen sowie eine Warenkunde. Der dicke Schmöker weckt die Lust am experimentieren. Das Buch enthält rund 500 Rezepte. Es ist modular aufgebaut, das heißt, es ist möglich nur Teile eines Rezepts herzustellen und sie mit anderen zu kombinieren.

In jedem Kapitel findet sich zudem ein Abschnitt mit einer Vielzahl von Klassiker- und Basisrezepten. Stevan Pauls Rezepte sprühen vor Kreativität. In beinahe jedem Rezept entdeckt man sehr inspirierende Elemente, die einem Gericht einen besonderen Reiz geben (z. B. Rauchöl, diverse Dashi, eine unglaubliche Vielfalt an Vinaigrettes). Auch seine Japan-Affinität ist deutlich spürbar (z. B. Pilz-Dashi, Wasabi-Beurre-Blanc). Paul selbst sagt über sein Werk: „In diesem Buch steckt die Essenz des Kochens“. „Ich koche nix vor, ich mache Angebote“, erklärt Paul. Kochen statt Nachkochen ist das Motto.
Man kann dieses kapitale Buch guten Gewissens ein Standardwerk nennen. Es enthält geballtes Wissen auf einen Blick. Das Kochbuch ist im Prinzip wie eine klassische Restaurantküche strukturiert: Vorspeisen, Fisch und Meeresfrüchte, Gemüse, Saucen und Fonds, Fleisch, Käse und Desserts. Am Ende der Kapitel folgen noch weitere Basisrezepte, Grundrezepte und Klassiker zum gleichen Thema. Die wunderschönen Food-Fotos von Andrea Thode  sprechen alle Sinne an und die Illustrationen von Ralf Nietmann leiten die einzelnen Kapitel ein. Dieses Kochbuch ist einfach grandios!

Stevan Paul: „kochen“., Brandstätter Verlag, 408 Seiten, 40 Euro

Dem Geschmack auf der Spur

Was läuft beim Kochen und Essen „hinter den Kulissen“ wirklich ab? Diesem Thema widmet sich Antje de Vries in ihrem Kochbuch „Abenteuer Geschmack“. Fragen über Fragen stellen sich in dem Zusammenhang, etwa: Wie wichtig ist zum Beispiel die Textur für den Geschmack? Welchen Einfluss haben frühkindliche oder kulturelle Einflüsse? Selbst die Akustik spielt hier eine Rolle. Am Ende sind es viele Komponenten, die hier zusammen kommen. Antje de Vries reist seit Jahren als Beraterin für gastronomische Konzepte durch die ganze Welt und hat sich für dieses Werk 15 Gemüse ausgesucht, die sie ganz unterschiedlich in Szene setzt. Gemüsesorten von Spinat über Aubergine und Pilze, methodisch und inspirierend dargeboten. Bevor es aber ans große Kochen und Experimentieren geht, zeigt sie auf den ersten dreißig Seiten erst einmal, was Geschmack eigentlich ausmacht.

Die gelernte Köchin und studierte Ernährungsökonomin analysiert hier, warum eine Rote Rübe erdig rüberkommt, die Paprika und Aubergine eher herb und warum Fenchel oder Spinat grasig schmecken. Wie verändert sich der Geschmack von roh zu gekocht, schmeckt eine Möhre anders, wenn sie geraspelt, gehackt oder in groben Stücken zubereitet wird? Richtig spannend wird es dann in den Rezept-Kapiteln. Am Ende sind die Geschmackserlebnisse beeindruckend. Man lernt hier unglaubliche Dinge auf die man nie gekommen wäre. „Abenteuer Geschmack“ ist ein Kochbuch, das dem Leser einen Weg eröffnet, das aromatische Potenzial von Gemüse zu verstehen, auszuprobieren und anzuwenden. Fazit: der riesengroße Aromakosmos von Produkten wird überaus alltagstauglich und spannend dargestellt. Wer gutes Essen liebt, sich für Foodpairing und Aromen interessiert, der sollte sich dieses wundervolle Buch zulegen.

Antje de Vries: „Abenteuer Geschmack“, Gräfe & Unzer Verlag, 288 Seiten, 29,99 Euro

Die ganze Welt der Suppen

Wenn man an Suppen denkt, fallen einem schon bald die großen Vorzüge dieses Gerichts ein. Suppen sind abwechslungsreich, schnell zubereitet, wärmen bei Kälte, kühlen bei Hitze und sättigen ungemein ohne Kalorienbomben zu sein, also ideal zu jeder Jahreszeit. Und außerdem: Suppen sind nicht nur eine leckere Vorspeise, sondern auch tolle Hauptgerichte. Davon kann man sich in dem Band von Susann Kreihe mit dem schlicht gewählten Titel „Suppen“ überzeugen. Mit 80 Rezepten um die Welt verspricht die ausgebildete Köchin und sie zeigt Step-by-Step was eine gute Suppe ausmacht und wie sie perfekt gewürzt wird. Ob Brühe, Cremesuppe oder Eintopf, die Vorlieben bei der Konsistenz einer Suppe gehen auseinander. Letztendlich zählt aber nur die Qualität. Und so sind bei Susann Kreihe Suppen eine Kombination aus besten Zutaten und kreativen Kombinationen. Ergänzt werden die ausführlichen jahreszeitlich gegliederten Suppenrezepte aus den Bereichen Gemüse, Fleisch, Geflügel, Fisch & Meeresfrüchte mit einem Special zu „Suppeneinlagen“ und dergleichen mehr. Die Aufmachung des Kochbuchs ist vorbildlich, die Fotos eine Augenweide. Alles in allem ein sehr gelungenes Werk zum Thema Suppen. Wunderschön und sehr praxisnah dargeboten. Eine dicke Kaufempfehlung! Die ganze Welt der Suppen findet sich in diesem grandiosen Kochbuch.

Susann Kreihe: „Suppen“ – Brühen, Fonds und Bouillons perfekt gekocht, Christian Verlag, 224 Seiten, 36 Euro.

Omas Rezepte – Eine Hommage

Großmutters Küche wird gerne zitiert als bodenständig, schnörkellos, mit anderen Worten einfach gut und bekömmlich. Alle lieben die Küche der Großmütter! Der französische Koch Jean Imbert erzählt in seinem ganz persönlichen Kochbuch die berührende Geschichte seiner Großmutter und präsentiert 70 traditionelle Rezepte – von Hühnchen mit Zitrone bis zur Zucchiniterrine – die noch heute in Jeans eigenem Restaurant als Hommage an seine Oma serviert werden. Und um ihr Erbe zu bewahren, hat der Koch ihre besten Rezepte in dem wunderschön gestalteten  Buch „Merci Mamie – Die Originalrezepte meiner französischen Großmutter“ aufgeschrieben. Jean Imbert ist Absolvent des renommierten „Institut Paul Bocuse“. 2018 wurde er Küchenchef im „Swan and Bar Bevy“ in Miami, dessen Besitzer sein Freund Pharell Williams ist. Mit ihm betreibt er auch ein weiteres Restaurant in Saint Tropez. Außerdem hat er 2019 das „Mamie par Jean Imbert“ in Paris eröffnet. Imberts Buch ist ein Kochbuch für Hobbyköche, die die bodenständige französische Küche entweder kennenlernen wollen oder bereits lieben, Marke unkompliziert. Mit vielen Klassikern, die hier in ansprechender Form anhand von durchdachten und gut nachzukochenden Rezepten präsentiert werden. Zu nennen wäre hier: Pot au Feu, Pommes Frites mit Sauce Bernaise, Boeuf Bourguignon, Kalbsfrikassee, Zitronenhähnchen, Baba au Rhum, Zwetschgentarte und Creme Caramel. Die Ausstattung des Bandes ist sehr gelungen und das Innenleben des Buches verzückt mit Zierschrift und schafft eine heimelige Atmosphäre beim Durchblättern und Lesen.

Jean Imbert: „Merci Mamie – Die Originalrezepte meiner französischen Großmutter“, Christian Verlag, 160 Seiten, 25 Euro

Ein Brathuhn als Lebensretter

Ein seltsames Buch fürwahr. Einigen wir uns auf die Definition ein Koch- und Lesebuch. Schon der Titel klingt merkwürdig, steckt voller Geheimnisse: „Die Geschichte beginnt mit einem Huhn“. Kurz zum Inhalt: Die Autorin Ella Risbridger, gerade erst 21 geworden, wird von Depressionen geplagt. So heftig, dass sie sich an einem verregneten Tag in der Londoner Innenstadt vor den Bus werfen will. Glücklicherweise gelingt ihr das nicht, sondern sie geht nach Hause – und bereitet für sich und den „grossen Mann“ (ihr Ehemann) einen Pie zu… Kochen wird danach zu ihrer Therapieform. Es hilft ihr auf die Beine, zeigt ihr, wofür es sich zu leben lohnt. Das klingt vielleicht alles kitschig, ist aber vor allem amüsant geschrieben. Und die rund achtzig Rezepte rufen geradezu danach, nachgekocht zu werden. Risbridger hat sich, so könnte man sagen, buchstäblich zurück ins Leben gekocht.

Ihre Rezepte sind einfach und unkonventionell. Jenes für ein Notfallrisotto etwa, wenn spontan Besuch kommt, diverse Frühstücksvarianten für verregnete Sonntage, wärmende Currys für die Winterzeit daneben geröstete Knoblauch-Tomaten- Suppe, Fischstäbchen-Sandwich, frische Chili-Zitronen-Spaghetti, Bagels, Scones und Porridge. Jedem Gericht stellt Risbridger eine kleine Geschichte aus ihrem Leben voran. Wie die vom „Mitternachtshuhn“, als sie eines Tages apathisch am Boden lag und ihr nur der Gedanke an das zarte Fleisch des Brathuhns sie wieder aufmunterte. Okay, die Rezepte werden bald zur Nebensache, die Stories drumherum sind um so spannender zu lesen. Skurril sind sie schon die Geschichten, die mit britischem Humor gewürzt sind. Wer so was mag, der wird hier reich belohnt. Für die kommenden Tage an denen wir sowieso im Haus verweilen müssen, kommt diese Lektüre gerade recht.

Ella Risbridger: „Die Geschichte beginnt mit einem Huhn“, Callwey Verlag, 288 Seiten, 29,95 Euro

Da haben wir den Salat

Salat war lange als Hasenfutter verschrien, doch inzwischen lässt er vielen Deutschen das Wasser im Munde zusammenlaufen. Denn sein Reichtum an Vitaminen und seine knackigen grünen Blätter lassen ihn auf unserem Speisezettel weiter nach oben klettern. Bis hinein ins 20. Jahrhundert wurde Salat als Nahrungsmittel oft nur nebenbei wahrgenommen. Einen Großteil seiner jetzigen Beliebtheit verdankt er dabei gerade der Tatsache, dass er wenige Kalorien hat. Mit seiner Beliebtheit wuchs das Salat-Angebot. Rund 15 Sorten bietet inzwischen fast jeder Supermarkt an inklusive der wiederentdeckten alten Sorten wie Rucola oder Portulak. Salate werden heute gern mit Hülsenfrüchten und Getreide angereichert, verfeinert mit Nüssen und Kräutern und das vor dem Hintergrund vieler Länderküchen. Salat heute ist eine Schale voller aromatischer Akzente und Texturen.
Etwa 100 Salatrezepte finden sich in dem Kochbuch „Nur Salat“ der ungarischen Autorin Éva Bezzegh. Die Rezepte sind nach Monaten eingeteilt: jeweils 8 Rezepte von Januar bis Dezember. Eine Übersicht mit Piktogrammen wie z. B. laktosefrei, vegetarisch, mit Fisch oder „gut vorzubereiten“ sorgen für einen schnellen Überblick.

Bezzegh verwebt in ihren Salat-Rezepten gerne exotische und regionale Obstsorten. Beispiel: Quinoa-Grünkohl-Salat mit Heidelbeeren und gerösteten Haferflocken sowie Mandeln. Das ergibt ein sättigendes Mahl. Das mit Ahornsirup gesüßte Dressing passt perfekt zum herben Grünkohl. Auch beim scharfen Mango-Avocado-Salat findet sich das kulinarische Früchte-Motiv wieder. Ergänzt mit Feldsalat wird er übrigens nur mit Limettensaft, Olivenöl, Chilischote, Koriandergrün und Sesam gewürzt.
Die Buchgestaltung ist exzellent, soll heißen, der Einband wirkt durch feine Folienprägung und mit gezeichneten Obst- und Gemüseabdrücken besonders wertig. Die Innenseiten aus matt gestrichenem Bilderdruckpapier sind angenehm griffig, die Fotos zeigen jeden Salat originalgetreu. Der großformatige Band gefällt auf den ersten Blick.
Für Salatfans ein absolutes Muss!

Éva Bezzegh: „Nur Salat“, Callwey Verlag, 320 Seiten, 39,90 Euro

Der geraubte Bestseller

Sie war eine bekannte Wiener Persönlichkeit, als 1935 ihr Kochbuch „So kocht man in Wien!“ erschien. 500 Seiten stark. Es verkaufte sich sehr gut. Von „Alice Urbach: So kocht man in Wien!“ erschienen bis 1938 drei Ausgaben im Ernst Reinhardt Verlag in München. Das Buch war ein Bestseller, ein kulinarisches Kompendium des multinationalen Wiens. Doch was mit Alice und ihrem Kochbuch ab 1938 passierte, legt ihre Enkelin Karina Urbach in der ungewöhnlichen Familien- und Kriminalgeschichte „Das Buch Alice“ dar. Die Lektüre bietet ein Lehrstück in Sachen Niedertracht, Antisemitismus, Habgier und Gewissenlosigkeit bis in unsere heutige Zeit – es ist aber auch ein Dokument des Widerstands und der beharrlichen Verweigerung, sich dem Unrecht zu beugen.
Unter den Nationalsozialisten verliert die Wiener Jüdin Alice Urbach, einst erfolgreiche Kochbuch-Autorin Heimat, Familie und Karriere. Sie flieht nach England, wo sie sich als Dienstbotin durchschlägt und später ein Flüchtlingsheim für jüdische Mädchen leitet. Mit Kochunterricht versucht sie ihre Schützlinge von den Kriegswirren abzulenken. Nach dem Krieg geht Alice nach New York, gibt Kochkurse in San Francisco und stellt im amerikanischen Fernsehen ihre besten Rezepte für Mehlspeisen und Tafelspitz vor. In einer Wiener Buchhandlung findet sie sogar ihr Buch wieder. Doch wer ist der Mann, dessen Name auf dem Umschlag prangt? Hat es den „Küchenmeister“ Rudolf Rösch je gegeben? Recherchen führen Alice‘ Enkelin Karina Urbach in Wiener, Londoner und Washingtoner Archive, in denen sie längst verloren geglaubte Briefe, Tonband- und Filmdokumente findet. Sie eröffnen ein bislang unbekanntes Kapitel in der Geschichte deutscher NS-Verbrechen. Spannend, berührend und informativ ist diese Familiengeschichte und zudem großartig geschrieben.

Karina Urbach: „Das Buch Alice. Wie die Nazis das Kochbuch meiner Großmutter raubten“, Ullstein Buchverlage, 432 Seiten, 25 Euro

Fotos: unsplash.com, Cover: Verlage
Werbung, unbezahlt.

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