Gianmaria Testas Erstling Montgolfières
Gianmaria Testas Erstling Montgolfières
In Deutschland nennt man sie Liedermacher, im englischen Sprachraum Songwriter, die Musiker, die ihre eigenen Lieder und Texte schreiben und meist zur Gitarre vortragen. In Italien gibt es dafür den Begriff Cantautore. Gianmaria Testa ist ein typischer Vertreter dieser Bardenzunft. Der Mann aus dem Piemont hat jahrelang als Bahnhofsvorsteher gearbeitet und in den langen Nächten, wenn die Züge in seinen Bahnhof der Kleinstadt Cueno nur noch sporadisch ein- und ausfuhren, begann er Gedichte zu schreiben und schließlich zu vertonen. „Ich suche die Musik zwischen den Worten“, sagt Testa über seine Arbeit. Der 1958 im Piemont geborene Musiker war für seine nachdenklichen und jazzigen Klänge und Texte und seine warme Stimme bekannt und hatte auch über die Grenzen seiner Heimat hinaus viele Fans. Seine ersten großen Erfolge feierte er aber nicht in Italien, sondern in Frankreich. Sein Plattendebüt gab der Bauernsohn aus Piemont erst mit 36; das Gitarrespielen und Liederschreiben hatte er sich selbst beigebracht. Sein erstes Album, „Montgolfières“ (1995), war dann gleich ein durchschlagender Erfolg. Jetzt wurde es wieder veröffentlicht als CD und auch auf Vinyl.
Es kann als eine Würdigung und als Testament des großen Songpoeten und Menschen gelten. Denn Testa war kein langes Leben vergönnt. Viel zu früh, am 30. März 2016, starb der Liedermacher 57-jährigan den Folgen eines Hirntumors. Auf „Montgolfières“ tönt seine angenehm warme und dunkle Stimme aus den Lautsprechern, zum Greifen nahe. Die Faszination des Zusammenwirkens von Gitarre, Klarinette, Bläser, Bandoneon und Streichern ist groß. Wohl auch, weil die Melodien elegant zwischen Balladen und tanzbaren Nummern wechseln. Meist sind die Lieder auf das Wesentliche reduziert: Aus Text, Melodie und Harmonie entfaltet sich eine eigene Welt.
Gianmaria Testa schafft es mit rauchiger Stimme und Gitarre seinen Liedern ein Gewicht zu geben, wie sonst nur wenige. Der Erstling „Montgolfières“ ist ein Musterbeispiel für Testas Vorgehensweise. Stets präsent seine warme, verhangene Stimme, die eine Welt aus Wind und Erinnerung, aus Erde und Nebel beschreibt. Da geht es um „Frauen auf Bahnhöfen“ (Le Donne nelle stazioni), die am Arm irgendeines Anderen wegfahren, ohne sich umzudrehen. Oder Flüsse, die ins Meer münden, ein Automobil, in dem jemand wartet – unaufgeregt beschreibt der Liedermacher Alltägliches. Kleine Themen werden bei Testa zu großen Liedern.
Die Musik besteht aus klaren Melodien, die aus einem ebenso üppigen wie persönlichen Universum auftauchen, in welchem Tango, Bossanova, Habanera und Jazz sich die Klinke in die Hand geben. Live ist seine Stimme zwar für immer verstummt, doch seine wunderbaren Alben leben fort. Man sollte ihnen Gehör schenken. Es lohnt sich!
Gianmaria Testa: „Montgolfières“ ist auf dem Label Incipit erschienen im Vertrieb von nuzzcom