Becca Stevens: Wonderbloom ist ein Gesamtkunstwerk

Becca Stevens: Wonderbloom ist ein Gesamtkunstwerk

Seit der Veröffentlichung ihres Debütalbums vor 12 Jahren wird Becca Stevens als eine der kreativsten Künstlerinnen der US-Musikszene gepriesen. Sie spielt gern mit verschiedenen Stilrichtungen und Stimmungen und bastelt meist ihre Songs allein im Studio zusammen. Bei der Arbeit an ihrem neuen Album „Wonderbloom“ ist sie allerdings anders vorgegangen. Becca Stevens produzierte „Wonderbloom“ zusammen mit Nic Hard (Snarky Puppy, Ghost-Note, The Church), und kontrollierte jeden Aspekt der Aufnahme und erreichte so die Selbstständigkeit, die ihr im Studio lange Zeit entgangen war.  „Nic und ich haben wirklich als Gleichgestellte gearbeitet und uns gegenseitig vertraut, um die Arbeit zu erledigen und das war ein Segen“, sagte sie kürzlich.

„Wonderbloom“ ist ein Projekt, bei dem mehr als 40 Musiker zum Album beitrugen, darunter Vulfpeck-Gitarrist Cory Wong, der langjährige Mitarbeiter Jacob Collier und alle ihre Lighthouse-Bandkollegen (Keyboarder Michelle Willis, Snarky Puppy-Bandleader Michael League und David Crosby selbst). „Meine früheren Platten wurden alle von mir geschrieben, von mir arrangiert und dann von mir und meiner Band aufgeführt“, sagt Stevens. Das war diesmal nicht der Fall.

„Good Stuff” ist ein besonders schöner Song und von diesem „guten Stoff“ kann man gar nicht genug kriegen: Becca Stevens feiert das Leben in einer Elektro-Pop-Hymne, die Lust auf mehr macht. Die 1984 in North Carolina geborene Singer/Songwriterin hat auf „Wonderbloom” (GroundUp/ Orchard, nur digital) aber noch jede Menge in petto: Vielseitigkeit war schon immer ihr Markenzeichen, und so groovt ihr neues Werk sehr gelungen zwischen Pop, Funk und Balladen. Es gibt aber auch düstere und sperrige Momente auf diesem Album, dessen Titel von der exotischen Riesenpflanze „Titanwurz“ inspiriert ist, die acht Jahre braucht, um für nur wenige Stunden zu blühen.

Die Mittdreißigerin ist eine hochintelligente Überfliegerin, die sich um herkömmliche Pop-Normen nicht schert. Sie kreiert ihre Songs mit überbordendem Ideenreichtum. Eingängige Musik ist das alles nicht. Dass die Wahl-New Yorkerin dabei auf programmierte Drums wie in den Achtzigern und viele Keyboards zurückgreift, ist dann doch eine Überraschung. In eine Schublade passt ihre Musik keineswegs. Mal ist sie Indie-Experiment, dann hört man Jazzeinflüsse oder spürt viel Rock-Energie.

Der beste Song steht am Ende, und er ist politisch motiviert. „Heather‘s Letter To Her Mother“ erzählt in mehreren Strophen die Gedanken der 2017 bei der rechtsradikalen Demonstration in Charlottesville, Virginia, ums Leben gekommenen Bürgerrechtsaktivistin Heather Heyer. Man hört am Ende auch Kinderstimmen. Gewiss: Die Zukunft gehört ihnen, aber auch Becca Stevens und ihrer überragenden Musikalität. Man sollte dieser Künstlerin unbedingt sein Ohr schenken. Ihre ungemein schlüssigen und vielsagenden Songs verdienen Beachtung. Ohne die Liebe sind wir nichts, singt Becca Stevens am Ende und diesen Satz kann man getrost unterschreiben. Ein vortreffliches Werk mit vielen außergewöhnlich Facetten. Hut ab!

Becca Stevens: „Wonderbloom“ ist auf dem Label Ground Up/ Orchard erschienen (Digital Only).

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