Jon Balke ist ein solitärer Klangtüftler am Klavier

Jon Balke ist ein solitärer Klangtüftler am Klavier

Der norwegische Pianist Jon Balke hat sein neues Album „Discourses“ im Alleingang aufgenommen. In diesem einzigartigen Solowerk verwischen die Grenzen zwischen Komposition, Improvisation und Sounddesign. Und er tut es nicht zum ersten Mal. Schon auf „Book Of Velocities“ (2007) und „Warp“ (2016) – beide bei ECM Records erschienen – hat Balke den Alleingang gewagt. „Discourses“ ist nun also das dritte Solo-Album des Pianisten. In den resonanten Klang seiner Klaviermusik sind „geschichtete Klanglandschaften“ aus bearbeitetem Material integriert, die Balke als „verzerrte Reflexionen und Nachhall aus der Welt“ beschreibt. Dem Projekt liegen tiefe Gedanken über Sprache und die Vorstellung von Diskurs und Dialog als verblassende Begriffe in einer Zeit der konfrontativen Rhetorik zugrunde. Die Klanglandschaften, auf die sich Balke bezieht und die sich wie ein roter Faden durch das Album ziehen, sind auf unterschiedliche Weise entstanden. Er verwendete dafür sowohl Field Recordings als auch Aufnahmen von bearbeiteten Instrumenten.

„Ich habe viele davon auf meinem Cello eingespielt und sie mit verschiedenen Effektgeräten verfremdet. Ich habe auch Keyboards und Software-Erweiterungen verwendet.“ Obwohl er für das Projekt einen rhetorischen Rahmen hatte, sind die Klänge selbst, wie Balke betont, eher abstrakt als illustrativ, ausgewählt allein wegen ihrer Klangfarben und Funktionen.

Das Klavier wurde schließlich im Auditorio Stelio Molo RSI in Lugano aufgenommen. Mit Hilfe des Produzenten Manfred Eicher wurde das Album dort auch zusammengestellt und abgemischt. „Ich kam in Lugano mit einer Festplatte voller vorab aufgezeichneter Klanglandschaften an und hatte einen Plan, in welchen Stücken ich sie wie verwenden wollte“, erkärt Balke. „Aber manchmal nahm die eigentliche Aufnahme eine andere, unerwartete Richtung, die eine andere Art von Layer erforderte, oder gar keines. Das war die wichtige Teamarbeit im Studio, bei der jede Auswahl diskutiert wurde. Bei dieser Produktion war Manfred ein sehr aktiver Mitschöpfer, sein Beitrag gab Orientierung in allen Details.“

Ruhige, meditative Passagen wechseln sich ab mit zornigen und verzweifelten Ausbrüchen. Harmoniesehnsucht trifft auf Unversöhnliches. Am Ende hört man nicht nur Balke im Dialog mit sich selbst, sondern wird selbst Teil der Interaktion. Jon Balke zeigt auf beeindruckende Weise erneut sein hohes Kreativpotenzial und unterstreicht seinen guten Ruf eine der originellsten Stimmen der kreativen Musik zu sein.

Fazit: Jon Balke ist ein solitärer Klangtüftler am Klavier. Dieses außergewöhnliche Album weist ihn als großen Piano-Individualisten aus, der auf jedem Album eine ganz eigene poetische Welt, ja, stets ein neues Universum öffnet.

Jon Balke: „Discourses“ ist auf dem Label ECM erschienen.

 

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