John Scofield verneigt sich vor seinem Mentor Steve Swallow

John Scofield verneigt sich vor seinem Mentor Steve Swallow

Was hat John Scofield in den vergangenen Jahren nicht alles gemacht: ein Ray-Charles-Tribut, eine Gospel-Platte, eine Aufnahme mit dem Metropole Orchestra, Swing- und Bop-Rückbesinnungen, ja, sogar ein Balladen-Album. Dutzende Alben hat John Scofield in den vergangenen gut vier Jahrzehnten produziert, für so geschichtsträchtige Jazz-Labels wie Blue Note oder Verve. Aber es hat bis zum Jahr 2020 gedauert, ehe der US-Gitarrist als Leader für die Münchner Plattenfirma ECM aufgenommen hat. Zu verdanken hat „Sco“ das dem Bassisten Steve Swallow, der mit Carla Bley und Gary Burton wichtige ECM-Werke aufgenommen und sein erstes Album für das Label im Jahr 1974 veröffentlicht. Kurz zuvor hatten sich Swallow und Scofield kennengelernt – seitdem bezeichnet der Gitarrist den elf Jahre älteren Bassisten als seinen Mentor. Sein aktuelles Album „Swallow Tales“ ist nun die lang geplante Verneigung vor dem Songwriter Swallow.

Das Album vereint neun seiner Songs, die Scofield „Standards“ nennt: Bop-Kompositionen, zumeist im Uptempo-Bereich swingend. Aufgenommen wurde das Werk mit Drummer Bill Stewart – nur wenige Live-Takes an einem einzigen März-Nachmittag im Jahr 2019. Alle Songs verdienen das Prädikat herrlich Old School und sehr, sehr lässig.„Ich liebe diese Songs“, sagt Scofield über die Auswahl der hier interpretierten Kompositionen von Swallow – eine breite Palette, ein breites Spektrum, das Klassiker wie „Hullo Bolinas“, „Eiderdown“, „Falling Grace“ und „Radio“ sowie weniger bekannte Werke umfasst. Das musikalische Verständnis zwischen Scofield und Swallow ist dabei in jedem Moment klar ersichtlich. John Scofield: „Manchmal, wenn wir spielen, wirkt es wie eine große Gitarre, die Bassstimme und mein Part zusammen.“ Hinter dem Schlagzeug sitzt Bill Stewart, der aufmerksam auf alle Wendungen und Interaktionen seiner Kollegen eingeht. „Was Bill macht, ist mehr als ‚Schlagzeug spielen'“, sagt Scofield. „Er ist eine melodische Stimme in der Musik, er spielt Kontrapunkt und begleitet, während er gleichzeitig richtig hart swingt.“

Mit „She Was Young“ startet das Album, ein Song, den Sheila Jordan 1979 auf Swallows Album „Home“ sang. Damals hatte Lyle Mays einen Synthesizerteppich unter Swallows Spiel auf dem Elektrobass gelegt. Das ist jetzt anders. In der aktuellen Version wurde daraus ein feinsinniger Trialog, wobei Swallow einen kontinuierlich  Gegenpol zu Scofields Spiel bildet. Mit Sticks und Besen vermittelt Stewart nicht nur zwischen beiden; seine Schläge bilden mit ihnen ein magisches Dreieck aus Integration und Eigenständigkeit. Ähnlich ist auch die Aufgabenverteilung in den übrigen acht Stücken von „Swallow Tales“. Vom ersten bis zum letzten Ton wirken Scofield, Swallow und Stewart wie ein einziger Klang-Organismus. Die Chemie der Beteiligten stimmt, wie kann es auch anders sein. Sie spielen schon seit Jahren immer wieder zusammen und bilden somit die Seltenheit eines echten Ensembles. Insgesamt eine wunderbare Trio-Konstellation, die dem Zuhörer spannende 53 Minuten bietet.

John Scofield: „Swallow Tales“ ist auf dem Label ECM erschienen.

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