Saxofonist Oded Tzur mit viel Gespür für Ragas
Saxofonist Oded Tzur mit viel Gespür für Ragas
Israelische Jazzmusiker sind derzeit en vogue oder besser gesagt präsenter denn je. Zu ihnen gehört auch der genialer Klangtüftler am Tenorsax Oded Tzur. Nach Anat Fort, Avishai Cohen, Shai Maestro und Yonathan Avishai präsentiert das Label ECM ihn auf dem Album „Here Be Dragons“. Nicht zu unrecht wird der Saxofonist derzeit weltweit gefeiert. Denn er zählt zu den originellsten und bemerkenswertesten Musikern, die in der jüngeren Vergangenheit aus der kreativen Jazzszene Israels hervorgegangen sind.
Oded Tzur hat geschafft, was nur wenigen gelingt: einen wirklich neuen und sehr persönlichen Sound für das Tenorsaxophon zu finden. Die Inspiration dazu lieferte ihm ein ausgedehntes Studium bei dem indischen Bansuri-Meister Hariprasad Chaurasia. Unter dessen Anleitung vertiefte er sich in das Studium der klassischen nordindischen Musik und meisterte es bald, dass für Ragas typische Gespür für Tonhöhenfluidität und mikrotonale Schattierungen in einen Jazzkontext einzubringen.
Strukturell ist jede von Tzurs Kompositionen auf „Here Be Dragons“ darauf ausgerichtet, einen „Miniatur-Raga“ über einem beweglichen Bass zu entwickeln. Dadurch werden zwei musikalische Konzepte einander gegenübergestellt. „Der Dialog zwischen diesen Dimensionen führt uns, wohin er uns auch immer führen mag“, sagt Oded Tzurs. Die Ragas, die in den Stücken „Here Be Dragons“, „20 Years“ und „The Dream“ eingesetzt werden, sind Eigenkreationen des Saxofonisten. Tzur gehört längst zu den großen musikalischen Denkern unserer Zeit, die in ihrer Musik nach den universellen Zusammenhängen der Welt suchen. Doch nirgends klingt seine Musik akademisch oder verkopft, denn orientalische Grooves, Weltmusik und Modern Jazz sind dem Saxofonisten ebenso wichtig. Häufig wird er als John Coltrane des 21. Jahrhunderts bezeichnet, was er eigentlich nicht ist und nicht sein kann.
Zurück zur Musik: Oded Tzurs wunderbares Quartett markiert gleichsam die Antithese zu jedem „schneller, höher, weiter, lauter“ im Jazz. Dass in Tzurs Konzept auch Platz für überraschende Songs ist, beweist er zum Abschluss des Albums mit der einfühlsamen Interpretation der Schmacht-Ballade „Can’t Help Falling In Love“, die durch Elvis Presley berühmt wurde.
Tzurs international besetzte Band besteht aus dem israelischen Pianisten Nitai Hershkovits, dem griechischen Bassisten Petros Klampanis und dem amerikanischen Schlagzeuger Johnathan Blake. Hershkovits, der für Shai Maestro ins Quartett kam, erweckte erstmals größere Aufmerksamkeit als Mitglied der Gruppen des Bassisten Avishai Cohen. Bassist Petros Klampanis ist eine weitere tragende Säule in den Bands des Tenorsaxofonisten; unter eigenem Namen spielte er zuletzt ein Album mit dem Pianisten Kristjan Randalu ein, der vor zwei Jahren mit „Absence“ bei ECM debütierte. Das neueste Mitglied des Ensembles ist Johnathan Blake, der aus einer angesehenen Musikerfamilie stammt. Sein Vater, der Geiger John Blake, spielte unter anderem mit McCoy Tyner. Zum Schluss bleibt die Festellung: diese Album ist im höchsten Maße inspirierend und die tiefsinnigen musikalischen Interaktionen innerhalb des Quartetts sind beeindruckend.
Oded Tzur: „Here Be Dragons“ ist auf dem Label ECM erschienen.