Martin Tingvall hat seinen eigenen Kosmos erschaffen

Martin Tingvall hat seinen eigenen Kosmos erschaffen

Vor zehn Jahren fanden sich der Pianist und Komponist Martin Tingvall aus Schweden, der deutsche Schlagzeuger Jürgen Spiegel und der aus Kuba stammende Kontrabassist Omar Rodriguez Calvo in ihrer gemeinsamen Wahlheimat Hamburg zusammen und gründeten das Tingvall Trio. Mit ihren umjubelten Live-Auftritten und den Plattenaufnahmen „Skagerrak“, „Norr“, „Vattensaga“, „Vägen“ konnte sich die Jazzformation binnen kürzester Zeit als eines der führenden europäischen Pianotrios etablieren. Während der Bassist Calvo von lateinamerikanischen Einflüssen geprägt ist, kommt der Schlagzeuger Spiegel aus der Rockmusik, und Tingvall ist beseelt von der Ruhe der schwedischen Natur. Daraus entstand der ganz spezielle Sound des Tingvall Trios. Rockige Klänge mischen sich mit groovenden Rhythmen und nordischer Folklore, dem Jazz haftet Pop-Appeal an, und die Melodien sind lyrisch und eingängig. Martin Tingvall  zieht sich zum Komponieren gerne in die Abgeschiedenheit seiner südschwedischen Heimat zurück. Sein Freund Udo Lindenberg, für den er hie und da auch komponiert, nennt ihn den Edvard Grieg des Jazz.

Kürzlich hat er mal wieder eine Solo-Platte gemacht, Titel „The Rocket“. Die CD zeichnet sich durch noch mehr Schwerelosigkeit und Leichtigkeit aus, ohne dabei jemals ins Triviale abzugleiten. Die traditionelle Verteilung zwischen der rechten und linken Hand verschwimmt, die linke spielt die Melodie gleichberechtigt zur rechten Hand und vice versa. Letztendlich ist es die Poesie, mit der Martin Tingvall seine Hörer berührt.

Martin Tingvall, der sich in den Bereichen Filmmusik, Klassik, Jazz oder Pop gleichermaßen bewegt, spielt auf diesem Album scheinbar einfach klingende, ergreifend schöne Melodien, die mal Assoziationen von Klassik herbeizaubern, mal seine Herkunft aus der skandinavischen Volksmusik spiegeln und im nächsten Moment der Improvisationsfreiheit des Jazz nahestehen. Genregrenzen: Fehlanzeige! Fest steht auch: Solo präsentiert er sich wesentlich lyrischer und melodienversessener als mit seinem Trio. Ruhig lässt Tingvall es angehen und diese Ruhe behält er bei. Auf „The Rocket“ lässt Tingvall sich viel Zeit und Raum, um seinen musikalischen Minimalismus noch mehr als auf seinen bisherigen beiden Solo-Alben zu erforschen. Über die Jahre hat sich Tingvall seinen eigenen Kosmos erschaffen. Wie im Jazz Tradition in Innovation übergeht und der eigene Dialekt in eine universelle Musiksprache mündet – das kann man auf „The Rocket“ erleben.

Anspieltipps: „Floating“, eines der ersten Stücke und dann gibt es noch einen Song namens „No gravity“, der, nomen est omen, sich genau so „anfühlt“, nämlich schwerelos und leicht.

Martin Tingvall: „The Rocket“ ist auf dem Label Skip Records erschienen.

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