Zwei Pianisten – ein wegweisendes Duo

Zwei Pianisten – ein wegweisendes Duo

Die internationale Kritik liegt dem Amerikaner mit den südindischen Wurzeln zu Füßen. Nach Einspielungen in anderen Formaten präsentiert sich der Pianist Vijay Iyer jetzt mit dem Pianisten Craig Taborn als wegweisendes Duo. Vorweg sei gesagt, was für eine Begegnung! Ihre Wege kreuzten sich das erste Mal vor siebzehn Jahren in Roscoe Mitchells Band Note Factory (mit dem Ensemble spielten sie 2007 für ECM das Live-Album „Far Side“ ein). Dort wurden sie mit komplexem notiertem Material konfrontiert und mussten sich gleichzeitig den Herausforderungen des spontanen Komponierens und Gestaltens in kollektiven und individuellen Improvisationen stellen.

Mit „The Transitory Poems“, im März 2018 im Konzertsaal der Franz-Liszt-Musikakademie in Budapest live aufgenommen, legen Vijay Iyer und Craig Taborn nun endlich ihr erstes Duo-Album vor. Komposition und Improvisation: Wo liegen die Grenzen oder andersherum, gibt es hier überhaupt welche? Diese Musiker werfen bewusst Fragen auf. Und sie beantworten auch Vieles. Sie spielen eine Kombination aus komplexem notiertem Material, Kollektiv- und Soloimprovisationen, wie sie oft als „Free Jazz“ bezeichnet wurde, aber eigentlich nähern sich beide mehr der Gedankenwelt zwischen Neuer Musik und Jazz. Das ist keine leichte Kost und dennoch bereitet es Vergnügen die beiden in Aktion zu hören sowie bei ihrer Suche nach Musik, die ihre Einzigartigkeit dem Moment ihrer Entstehung verdankt.Da herrscht überall Intensität und Dichte. Doch ebenso selbstverständlich gibt es in diesem Kosmos auch leise, vorsichtig tastende Töne und Passagen.

Für Iyer und Taborn ist diese Aufnahme auch „eine Abfolge von Huldigungen“ an große Künstler, die sie zutiefst beeinflusst haben und kürzlich verstorben sind. „Luminous Brew“ etwa ist dem Pianisten Cecil Taylor gewidmet, dessen Musik in ihrer Intensität, polyrhythmischen Komplexität und Klangorganisation für eine ganze Musikergeneration immer noch eine wichtige Referenz ist. Den Titel des Albums entnahmen sie einem Interview, in dem Taylor die Menschheit und ihre Bemühungen als „transitory poems“ („vergängliche Gedichte“) beschrieb.

„Clear Monolith“ ist eine Hommage an den visionären Pianisten, Komponisten und Improvisator Muhal Richard Abrams, der den Mitgliedern der Association for the Advancement of Creative Musicians (AACM) in den Anfangsjahren den Weg erhellte und der Musik bis dahin unerschlossene Pfade eröffnete. Dem Maler und Bildhauer Jack Whitten ist das Stück „Sensorium“ gewidmet. Whitten ließ sich bei seinen Arbeiten oft vom Jazz inspirieren und hatte die Ambition, John Coltranes „Sheets of Sound“ in „Sheets of Light“ zu übertragen. Das letzte Stück, „Meshwork/Libation“, ist der Pianistin Geri Allen gewidmet. In den Improvisationen von „Meshwork“ blitzen immer wieder Andeutungen auf das Thema von Allens „When Kabuya Dances“ auf, bis diese Komposition, die ein moderner Klassiker ist, schließlich in den Vordergrund tritt.

Vijay Iyer und Craig Taborn: „The Transitory Poems“ (Live At Liszt Academy Budapest) ist bei ECM erschienen.

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