Über den Tellerrand: Kochbücher mit Langzeitwert

Über den Tellerrand: Kochbücher mit Langzeitwert

Das komplette Jahr 2018 haben wir von wegotmusic.de uns mit Musik beschäftigt. Da dachten wir, das man zum Jahresende mal über den sprichwörtlichen Tellerrand schauen sollte. Und siehe da, wir haben ein Thema gefunden, dass uns doch allen irgendwie am Herzen liegt und interessiert: Essen und Kochen. Auch 2018 gab es wieder viele Kochbücher. Wir haben die wirklich guten und nützlichen aus dem riesigen Angebot herausgefischt. Hier unsere Auswahl…

Italien für zu Hause

Giorgio Locatelli nennt mehrere Orte sein Zuhause: Corgeno in der Lombardei, wo er aufwuchs und kochen lernte; Nord-London, wo er mit Frau und den erwachsenen Kindern lebt; oder sein Restaurant „Locanda Locatelli“, auch in London, wo er die meiste Zeit verbringt. Auf über 600 Seiten hat Locatelli 180 Rezepte – für Antipasti und Zuppa, Risotto und Pasta, Pesce und Carne sowie Dolci – detailliert aufgeschrieben, so dass alles genauso schmeckt wie in Italien. Dabei ist aber immer die Kreativität in der Küche wichtig, entsprechend Locatellis eigener Art zu kochen – mit italienischer Leidenschaft, bodenständig und großzügig. Sein Kochbuch führt 150 Gerichte auf – Lieblingsspeisen, die der Spitzenkoch gern für Familie, Freunde, Kollegen kocht. Mit Liebe zum Detail und zum Produkt verpasst er sogenannten einfachen Gerichten Tiefe: Ob Spaghetti mit Tomatensoße, gegrilltes Hähnchen oder Pizza – alles ist wunderbar alltagstauglich. Und trotzdem meist raffiniert: Butternut-Kürbis-Suppe mit schwarzem Reis und Garnelen, Bohnensalat mit geschmorten Zwiebeln – kam alles übrigens auch bei Freunden und Familie des Autors sehr gut an. Vor jedem Kapitel findet man eine kleine Einleitung durch eine autobiografische Geschichte und auch die Rezepte selbst sind mehr Geschichten als schnöde Zutatenangaben und Anweisungen. Außerdem befindet sich vor jedem Kapitel bzw. größerem Kochthema auch meist noch eine ausführliche Erklärung zur Warenkunde bzw. ein „Grundsatz-How-To-Do“, danach folgt dann eine unheimliche Fülle an Variationen, die von traditionell bis modern und von einfach bis raffiniert reichen. Ein großartiges Kochbuch, das in keiner Küche fehlen sollte.
Giorgio Locatelli: „Italy. Made at Home. Gerichte für meine Liebsten“.
Christian Verlag, 320 Seiten, 29,99 Euro.

Für Fischfreunde unentbehrlich

In Deutschland wird viel weniger Fisch gegessen als anderswo in der Welt. Fisch steht im Küchenalltag bei vielen deutschen Privatköchen nur selten auf dem Speiseplan und meist wird nicht viel experimentiert. Umso wichtiger sind gute Fischkochbücher. Eines dieser seltenen Exemplare auf dem Buchmark hat Bart van Olphengeschrieben. Der Niederländer ist so eine Art Fischheiliger. Seit Jahren schon engagiert er sich für nachhaltigen Fischfang und reist um die Welt, um Fischer für den schonenden Umgang mit dieser Ressource zu sensibilisieren. Van Olphen kocht seit seiner Ausbildung nahezu ausschließlich Fisch. Er ist viel gereist, hat etliche Bücher geschrieben. Sein aktuelles Buch über Fisch ist aber auch zugleich ein Reportageband, denn es erzählt viel von Fischern und ihren Fangmethoden. Egal ob Wildlachs in Alaska oder Thunfisch auf den Malediven – wenn van Olphen aufzeichnet, wie der Fang von Einheimischen zubereitet wird, ergibt das wirklich gute Rezepte: einfach und voll Hingabe an das Produkt. Wenn man sicher vergegenwärtigt, dass80 Prozent der Meere bereits überfischt sind, dienen Bücher wie dieses auch der Aufklärung. „Es muss in die Köpfe der Leute“, sagtBart van Olphen an einer Stelle des dicken, mit vielen Informationen gespickten Bandes. Fazit: ein sehr wichtiges Buch nicht nur der Rezepte wegen. Das Drumherum, die vielen Informationen rund um den Fisch sind beinahe noch viel wichtiger. Ein Standardwerk!
Bart van Olphen: „Frisch gefischt“ – 100 köstliche Fischgerichte aus nachhaltigem Fischfang weltweit. Länder. Geschichten. Rezepte. 400 Seiten, 250 Abbildungen, Christian Verlag, 39,99 Euro.

Die vier Elemente: Theorie des Kochens

Es klingt anspruchsvoll, ja vermessen: mit nur einem Buch, auf kaum 500 Seiten, eine Theorie des Kochens aufzustellen. Doch Samin Nosrat gelingt das problemlos. Auch, weil die Amerikanerin bescheiden auftritt. Nosrat hat im legendären Restaurant „Chez Panisse“ gelernt. Wie ihre Mentorin, Slow-Food-Aktivistin Alice Waters, weiß sie, dass Qualität Zeit braucht.17 Jahre hat sie für ihr Buch recherchiert, um herauszufinden: Wer den Umgang mit Salz, Fett, Säure und Hitze verstanden hat, kann (fast) alles am Herd. In diese „vier Elemente guten Kochens“ ist das Grundlagenwerk unterteilt; wie jedes gute Buch lässt es sich unterschiedlich lesen: als Erfahrungsbericht, als Lebensgeschichte, Nachschlagewerk oder als Rezeptband. Denn Theorie hin, Kochphilosophie her: Nosrats Räucherhuhn mit Salbei und Honig ist super! Samin Nosrat verdichtet ihre reiche Erfahrung als Köchin und Kochlehrerin zu einem so einfachen wie revolutionären Ansatz. Es geht dabei um die vier zentralen Grundlagen guten Kochens: Salz, Fett, Säure und Hitze. Salz – das die Aromen vertieft. Fett – das sie trägt und attraktive Konsistenzen ermöglicht. Säure – die alle Aromen ausbalanciert. Und Hitze – die die Konsistenz eines Gerichts letztendlich bestimmt. Wer mit diesen vier Elementen souverän umgeht, kann exzellent kochen, ohne sich an Rezepte klammern zu müssen.
Voller profundem Wissen, aber mit leichter Hand und gewinnendem Ton führt Nosrat in alle theoretischen und praktischen Aspekte guten Kochens ein, vermittelt Grundlagen und Küchenchemie und verrät jede Menge inspirierender Tipps und Tricks.
In über 100 unkomplizierten Rezepten wird das Wissen vertieft und erprobt: frische Salate, perfekt gewürzte Saucen, intensiv schmeckende Gemüsegerichte, die besten Pastas, 13 Huhn-Varianten, zartes Fleisch, köstliche Kuchen und Desserts. Samin Nosrats Rezepte ermuntern zum Ausprobieren und zum Improvisieren.Das Buch hat keinen Hochglanz, kein Angebergericht. Dafür einen Baukasten, der einleuchtend einfach daherkommt, mit Anekdoten der Autorin gespickt und kindlichen Illustrationen verziert.
Das Buch ist einfach umwerfend gut gemacht. Warum? Weil es an die Grundlagen guten Kochens heranführt und zwar nicht oberlehrerhaft, sondern fundiert und genussreich. Sollte man unbedingt haben, selbst kaufen oder sich schenken lassen. Es lohnt sich wirklich.
Samin Nosrat: „Salz, Fett, Säure, Hitze“, Kunstmann-Verlag, 472 Seiten, 36 Euro.

Fusion mit Familienanschluss

Fusionsküche hat heutzutage einen gewissen Beigeschmack. Es ist ein Etikett, das mit Skepsis verbunden ist. Klingt nach trendigem Durcheinander, Allerlei und Beliebigkeit. Das Dudu in Berlin-Mitte aber beweist seit 2008, dass die Verbindung aus vietnamesischer, japanischer und lateinamerikanischer Küche Sinn machen kann. Mehr noch: dass Sushi mit Guacamole wunderbar schmeckt. Zum zehnjährigen Bestehen legen Chi Cao Hanh und Bruder Nam mehr als 60 Rezepte aus ihren mittlerweile zwei Restaurants vor. Die Phô-Suppen, das Thunfischtatar oder die karamellisierten Schweinerippchen setzen auf frische Produkte statt auf endlos lange Zutatenlisten und Chi Chi. Zudem erzählt das Buch die faszinierende Geschichte einer Familie, die 1988 aus Hanoi nach Ost-Berlin kam und sich von Rückschlägen nie abschrecken ließ. Die Träume von einst sind heute längst Realität. Die Speisen der Familie sind großes Kochkino und dieses Kochbuch ein lobenswertes Beispiel für extrem gute Küche. Insgesamt ein fantastisches Kochbuch!
Chi Cao Hanh, Nam Cao Hoai: „Dudu Kitchen. Asialicious“ Brandstätter-Verlag, 208 Seiten, 35 Euro.

Brot-Guru gibt viele gute Tipps

Für Viele ist der Amerikaner Chad Robertson der Brot-Guru schlechthin. Der Betreiber der „Tartine Bakery“ in San Francisco gilt als Super-Bäcker, seit er aus alten französischen Rezepten nach jahrelangem Experimentieren ein außen zuverlässig knuspriges, innen großporig feuchtes Backwerk, kurz, ein Super-Brot kreierte.
Nun also das Buch zum Nachmachen, jeder Schritt wird mit Fotos erklärt, angefangen beim eigenen Sauerteig. Auch wenn das Country Bread nicht sofort gelingt – das Erfolgserlebnis ähnelt dem als Kind beim ersten Baukasten. Und die Rezepte für Aufstriche oder Desserts sind dafür ganz einfach. Mit Hilfe von über 160 Schritt-für-Schritt-Fotos zeigt Chad Robertson seinen Lesern, wie sie nur aus Mehl, Wasser und Salz das perfekte Sauerteigbrot backen. Was aus seiner Backstube kommt, schmeckt. Weil das Brot auch Hobbybäckern gelingen soll, wurde das Grundrezept per Brot-Blog an Testbäckern ausprobiert. Ihre Erfahrungen sind ebenfalls ins Buch mit eingeflossen. So gelingen herrliche Brotlaibe und Baguettes mit knuspriger Kruste, locker-luftigem Innenleben und betörendem Duft.
Durch Variationen des Grundrezepts entstehen Brötchen, Pizza, Baguette, Brioche, Griessmehlbrot, Olivenbrot, Blätterteig für Croissants und vieles mehr. Besonders nützlich ist auch das Kapitel über die Verwendung von Brot vom Vortag. Es finden sich nicht nur herzhafte Rezepte für Bruschette, Brotsalate und Suppen, sondern auch für leckere Desserts.Wer dem Geheimnis des Brotbackens auf die Spur kommen will, kommt an diesem Buch nicht vorbei.
Chad Robertson: „Das Brot“, AT Verlag, 304 Seiten, 34 Euro.

Tanja Grandits – Spitzenköchin privat

Tanja Grandits‘ avantgardistische Küche, die sie im Restaurant Stucki in Basel praktiziert, ist unverwechselbar. Aber die gebürtige Schwäbin, deren berühmtes Restaurant mit 2 Michelin-Sternen und 18 GaultMillau-Punkten ausgezeichnet wurde, kreiert nicht nur aussergewöhnliche Gourmetmenüs. Sie ist daneben auch Mutter, Familienfrau und private Gastgeberin in ihrer farbenfrohen Wohnung über dem Restaurant. Dort macht sie für ihre Tochter Emma zum Beispiel Müsliriegel zum Mitnehmen, kocht für Freunde und Familie, und richtet auch für ihre Mitarbeiter gerne mal ein grosses gemeinsames Essen her. Diese private Seite der Spitzenköchin ist Thema von „Tanjas Kochbuch“. Es zeigt eine familien- und alltagstaugliche Küche, einfach, aber immer mit prägnanten Aromen und überraschenden Kombinationen. Es ist der Einsatz von Gewürzen und farbenfrohen Zutaten, der ihre Rezepte zu echten Grandits-Gerichten macht. In ihrem Restaurant ebenso wie hier. Die Grundprinzipien der allermeisten Rezepte kennt man schon, doch alle haben den bestimmten Grandits-Touch. Ein paar Beispiele: Zu ihren fluffigen Pancakes serviert sie ein gelbes Exoten-Kompott mit Mango, Ananas und Passionsfrucht, zu den Frühstückskeksen kommen Pekannüsse und Koriander, auf die grünen Avocado-Crostinis gehackte grüne Pistazien, auf das Aprikosen-Walnuss-Crumble streut sie Rosmarin und in die Lammhackbällchen werden fein geschnittene Datteln eingearbeitet.
Die Kapitel im Buch lauten: Frühstück, Unterwegs, Snacks und Aperitif, Salate, Suppen, Vegetarisch, Fisch und Fleisch, Aus dem Ofen, Desserts und Vorräte.
Tanja Grandits Credo lautet: „Kochen ist keine Wissenschaft, sondern lebt von der Lust am Ausprobieren“. Die Kapitel im Buch lauten: Frühstück, Unterwegs, Snacks und Aperitif, Salate, Suppen, Vegetarisch, Fisch und Fleisch, Aus dem Ofen, Desserts und Vorräte.
Tanja Grandits’ neuestes Kochbuch ist eines für die Alltagsküche – und für jede Gelegenheit. Und so findet man im Kochbuch in zartem Rosa (Grandits’ Lieblingsfarbe) eine Fülle von Rezepten für jeden Tag und jede Gelegenheit: fürs Frühstück, für unterwegs, Snacks und Suppen, Salate und Ofengerichte, Fisch und Fleisch, und natürlich Desserts.
Tanja Grandits: „Tanjas Kochbuch“ – Vom Glück der einfachen Küche, AT-Verlag, 319 Seiten, 34 Euro

Gemüse für den ganzen Winter

Fleischlose Speisen werden immer interessanter, auch für die Profiküche. Denn die Nachfrage wächst und ebenso die Vielfalt der Rezepte. Starkoch Paul Ivic hat sich im Wiener Restaurant Tian drei Hauben im Gault Millau erkocht und die Gemüseküche revolutioniert. Nur vier vegetarische Sterneköche gibt es weltweit, der Wiener Paul Ivic ist einer von ihnen. Sein Kochbuch ist aber nicht nur für Vegetarier inspirierend, mehr mit Wintergemüse wie Schwarzwurzeln oder Pastinaken zu experimentieren. Ja, manche Rezepte haben 28 Zutaten, doch der Aufwand lohnt sich. Vieles andere ist feierabendtauglich, darunter eine fabelhafte Blaukrautsuppe mit Äpfeln und Zimtblüten. Aus den vielen vegetarischen Kochbüchern sticht die Winterküche schon ästhetisch heraus: Hygge- statt Fitness-Optik. Ivić legt sich auf keine Länderküche fest, seine Rezepte sind oft alpin angehaucht, viele aber auch mediterran, asiatisch oder orientalisch. Besonders gut sind die Soßen: der Karottenjus zu Ofenkarotten und Dinkel-Porridge etwa. Und die Fonds aus Roter Beete oder Chinakohl und Pilzen.
Ivić bringt den Geschmack des Winters auf den Teller und liefert mit seinen persönlichen Winter-Highlights den Beweis, dass die Gemüseküche jederzeit überraschende und außergewöhnliche Rezepte voller Vitamine und Geschmack zu bieten hat.
Paul Ivić: „Vegetarische Winterküche“, Brandstätter Verlag, 190 Seiten, 29,90 Euro.

Der Slow-Food Genussführer

Mit Erscheinen der vierten Ausgabe des Führers hat sich nun auch der Zwei-Jahres-Rhythmus fest etabliert. Und nun ist er wieder da! Nach einem Jahr Pause ist der Genussführer von Slow Food zurück, mit neuen Rubriken, wie dem „ABC der regionalen Köstlichkeiten“, und über 100 neuen Lokalen. Der Genussführer präsentiert sich damit mehr denn je als Restaurant-Guide für all diejenigen, denen die Bewahrung regionaler Geschmacksvielfalt am Herzen liegt.
Haben Sie schon einmal von der Alblinse gehört? Wissen Sie, was sich hinter Pfefferpotthast, Rauchemaat oder Ofenflutschern verbirgt? Wenn nicht, liegen Sie mit dem aktuellen Genussführer goldrichtig: 111 regionale Spezialitäten werden in kurzen, liebevoll gestalteten Porträts vorgestellt. Darüber hinaus werden bio-zertifizierte Lokale gesondert ausgewiesen. Im Zentrum stehen aber selbstverständlich die detaillierten Beschreibungen der Restaurants und ihrer Spezialitäten: Wer ehrliche Küche ohne Chichi sucht, findet den traditionell zubereiteten Labskaus oder Schweinsbraten; wer modernen Interpretationen aufgeschlossen ist, greift auch mal zu Hirschcarpaccio oder probiert die Gratinierten Spinatknödel mit sautierten Baumpilzen. Das schmeckt nicht nur hervorragend, sondern ist garantiert auch ohne Geschmacksverstärker und Convenience-Produkte hergestellt – dafür steht die Slow Food-Schnecke, die auch bei der dritten Ausgabe unbeirrt Kurs hält.Der Restaurantführer ist jetzt 752 Seiten dick – 548 Lokale werden besprochen, darunter 125 neu aufgenommene Adressen.
Slow Food Deutschland (Hrsg.): Slow Food Genussführer 2019/20, Oekom Verlag, 752 Seiten, 28 Euro.

Beitragsbild: unsplash.com // hue12.com

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