The Jazz-Sextet – NDR Jazz mit Albert Mangelsdorff

The Jazz-Sextet – NDR Jazz mit Albert Mangelsdorff

Er war Wegbereiter, moralische Instanz und Doyen des deutschen Jazz. Eine Vaterfigur ist er noch immer, der Posaunist Albert Mangelsdorff. Mit seinem Schaffen schlug er einen großen Bogen vom Cool Jazz über Hard Bop bis zum Jazzrock und zur freien Improvisationsmusik. Albert Mangelsdorff war der King Albert, ein Aristokrat des Jazz, den seine Fans respektvoll verehrten und trotzdem vertraut mit Du anredeten. Albert Mangelsdorff hat mit seiner ihm eigenen Spielweise die Mehrstimmigkeit auf der Posaune vorangetrieben – dabei ergänzen Posaune und Stimme einander. Am 5. September 2018 wäre er 90 Jahre alt geworden. Das diesjährige Deutsche Jazzfestival in Frankfurt (22. bis 28. Oktober) widmet dem Frankfurter Bub den ersten Festivalabend, eine Hommage, mit vielen Weggenossen des Posaunisten in der Alten Oper.

Die vorliegende Aufnahme mit Mangelsdorff und weiteren fünf Hochkarätern aus den 1950er Jahren wurde jetzt veröffentlicht. Das Album „The Jazz-Sextet“ – NDR Jazz Edition No. 05 vom 12. April 1957 wurde im NDR Studio Hamburg aufgenommen und zwar in exzellenter Tonqualität. Das Sextett, ein illustres Tournee-Ensemble rund um den Posaunisten Albert Mangelsdorff, das auf Einladung des Redakteurs und Jazz-Experten Hans Gertberg im NDR-Studio für eine Session vorbeischaute ist nicht weniger als ein musikalischer Schatz, der endlich aus den Archiven geholt und jetzt den Jazzfreunden zugänglich gemacht wurde.

Auf ein Klavier wurde bewusst verzichtet. Man beschränkte sich auf die Posaune Mangelsdorffs, die Saxofone der beiden Cool- und Westcoast-Meister Bob Cooper und Bud Shank, die Gitarre Attila Zollers, das Schlagzeug Kar Sanners und den Bass Gary Peacocks. Für einen Titel gesellte sich noch der Klarinettist Tony Scott zum Sextett. Die mit ihm eingespielte Fassung von Jerome Kerns „Yesterdays“ wird prompt zur 20-Minuten- Weltreise durch verschiedenste Klänge und Rhythmen. Große Klasse!

Bei den anderen sechs Titeln nutzt die Band sehr intelligent und entspannt Song- und Soundstrukturen von Shearing und Gershwin. Westcoast-Jazz könnte man das Ganze nennen. Doch die Musik braucht eigentlich keine Schublade. Denn in erster Linie ist hier ein selbstbewusstes, extrem gut sortiertes Ensemble mit Musikern von Rang und Namen zu hören, das kreativ und charmant zu Werke geht. Noch ein Wort zu Albert Mangelsdorff: Seine Karriere begann als Rhythmusgitarrist in den Clubs derr US-Army, den Brutstätten des bundesdeutschen Jazz. Und dann kamen die sechziger Jahre: „Wir haben auf totales Risiko gespielt“, fasste Mangelsdorff jene Zeit später zusammen, in der „sowieso alles im Umbruch war“. Das 1961 formierte Albert Mangelsdorff Quintett, mit Heinz Sauer am Tenorsax wurde zum Wegbereiter der Emanzipation des europäischen Jazz. Auf Asientournee sammelten die Musiker außereuropäische Einflüsse, sie experimentierten mit modalen Improvisationen und begaben sich auf den Weg vom Bop und Cool zum Free. Mit Rundfunkorchestern swingte Mangelsdorff noch im Mainstream, als sein Spiel schon immer freier wurde und er mit Rebellen wie dem Globe Unity Orchestra und Peter Brötzmann arbeitete. 1963 erschien das Album „Tension“, das Mangelsdorff später als Zäsur bezeichnete:„Für mich war es der Beginn dessen, von dem ich sagen könnte: Ab hier gilt’s“. Mangelsdorff war der Erste, der 1972 ein ganzes Konzert als Solist an der Posaune bestritt, ohne Band. Jazzkundige verehren Albert Mangelsdorff als zweitgrößten Sohn Frankfurts nach Goethe.

Albert Mangelsdorff: The Jazz-Sextet – NDR Jazz Edition No. 05, 1957 NDR Studio Hamburg ist auf dem Label Moosicus/MIG erschienen.

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