Lucas & Arthur Jussen: Zwei Brüder, vier Hände, eine Leidenschaft: Musik

Lucas & Arthur Jussen: Zwei Brüder, vier Hände, eine Leidenschaft: Musik

Lucas und Arthur Jussen sind Meister ihres Fachs, fantastisch aufeinander eingespielt. Aber auch solistisch begeistern die jungen Pianisten – 22 und 25 Jahre alt – aus den Niederlanden ihr Publikum. Fliehende Läufe über alle vier Hände, Akkordcluster, helle Zwischenrufe und Tastengewitter, ein starkes Gespür für den Einsatz von Dynamik und Tempo. Das alles und mit einer kaum zu übertreffenden Präzision trifft bei ihnen zusammen. Wie von selbst entwickeln sich die Klänge unter dem meisterhaften Spiel der Brüder, die mit ihrem Flügel verwachsen scheinen. Dabei wird die hohe Kunst der Duo-Spiels immer noch unterschätzt. Und das völlig zu unrecht. Denn die perfekte Symbiose vierer Hände verspricht Klangerlebnisse von höchster Güte. Zusammen eins sein und doch frei sein – diesen Leitsatz scheinen die zwei Söhne der beschaulichen Stadt Hilversum von Kind an ganz besonders verinnerlicht zu haben. Am 3. August treten die Jussen-Brüder beim Mosel Musikfestival im Barocksaal von Kloster Machern in Bernkastel-Kues auf. Beginn 20 Uhr.

Auch im Interview mit wegotmusic.de-Redakteur Herbert Heil wirken die beiden Brüder Lucas (der Ältere) und Arthur Jussen wie ein eingespieltes Team: Mal antwortet der eine – dann übernimmt der andere.

FWorin besteht das Geheimnis des Duospiels?

LJLucas: Es besteht darin, nicht zu zweit zu spielen, sondern wie einer. Man muss sich näher kommen, sich aufeinander einlassen. Es muss ein Organismus entstehen. Dann stellt sich ein wunderbares Gefühl ein. Oft klappt das, aber nicht immer.

FWann habt ihr mit dem Vierhandspiel begonnen?

LJSehr früh. Als wir neun und sechs Jahre alt waren sagte unsere Lehrerin, versucht doch mal zu zweit zu spielen. Das entwickelte sich dann langsam mit kleineren Konzerten und es folgten größere Auftritte. Und da wir Brüder uns von Anfang an gut verstanden, war es nur eine Frage der Zeit bis wir das Zusammenspiel perfektioniert haben.

FMan sagt euch nach, ein starkes Gespür für den Einsatz von Dynamik und Tempo zu haben. Wie schafft man es, so schnell und doch so präzise zu spielen?

AJIch glaube, dass unser Vater, er ist Paukist in einem Orchester, uns Buben beigebracht hat rhythmisch, ja perkussiv zu spielen. Er war diesbezüglich ein großer Lehrmeister. Von ihm haben wir viel gelernt was Dynamik und Tempo betrifft.

FGibt es genügend Klavierliteratur a quatre mains?

LJNatürlich weniger als für Solo-Klavier, das steht fest. Dennoch gibt es eine Menge neue Musik zu entdecken, Stücke, die noch nicht gespielt wurden oder neu komponierte Werke. Vor einiger Zeit haben wir das vierhändige Divertimento von demfast vergessenen Komponisten Leo Smit entdeckt, der im Alter von 42 Jahren im Vernichtungslager Sobibor ermordet wurde. Ein Werk aus lang gestreckten Jazzpassagen, spielerischen Fugati und impressionistischen Arabesken.

FWer wählt bei euch das Repertoire aus?

AJDas machen wir immer zusammen. Und natürlich bekommen wir auch gute Tipps und Hinweise von Freunden, den Eltern und anderen Musikern.

FHabt ihr einen Lieblingskomponisten?

AJNein, eigentlich nicht. Es gibt so viele wunderbare Stücke von so vielen Komponisten, da fällt es schwer sich auf einen zu fokussieren. Zumal wir bei unserem Programm immer auf Vielfalt setzen. Da ist Mozart dabei, Beethoven natürlich aber auch Ravel, Debussy und Poulenc, Schumann oder Schubert.

FWieviele Konzerte spielt ihr pro Jahr?

LJEs werden immer mehr. Ich schätze 80 bis 100. Aber wir müssen noch viel lernen und einstudieren. Wir sind noch nicht in dem Stadium, in dem wir fast nur noch Konzerte geben. Schließlich üben wir an konzertfreien Tagen bis zu sechs Stunden.

FWelche Musik hört ihr, wenn es mal keine Klassik sein soll?

LJDas ist sehr unterschiedlich. Bei Pop und Jazz eher die älteren Sachen. Sinatra, Ray Charles, Ella Fitzgerald mögen wir genauso wie Michael Jackson. Natürlich auch Keith Jarrett oder Brad Mehldau. Das sind ganz große Musiker, die uns immer wieder inspirieren. Im Grunde sind es viele verschiedene Stile und Genres, die uns begeistern. Wir sind offen für gute Musik, allein die Qualität muss stimmen.

FHabt ihr Vorbilder?

LJViele eigentlich. Trifonov und Volodos zum Beispiel und natürlich auch unsere Lehrerin Maria João Pires, bei der wir studiert haben.

FDer türkische Musiker und Komponist Fazil Say hat für euch das Stück „Night“ geschrieben, das ihr gerne als Zugabe spielt. Wie ist es zu der Zusammenarbeit mit ihm gekommen?

LJWir lieben ihn sehr – als Musiker und als Komponist. Er hat dieses Stück für uns geschrieben. Ein fantastisches Stück, das wir so oft wie möglich live spielen. Es gibt darin Passagen, bei denen wir in den geöffneten Flügel greifen und über die Saiten streichen. Das ist auch ein visuelles Vergnügen für das Publikum.

FDer Karneval der Tiere heißt eure jüngste CD. Wie kam es zu dieser Produktion?

AJDas Album erschien im März diesen Jahres. Die Aufnahme mit dem Royal Concertgebouw Orchester ist ein gemeinsames Projekt mit der deutschen Schauspielerin Katja Riemann. Die Musik stammt natürlich von Camille Saint-Saens und die originelle Textfassung von dem leider viel zu früh verstorbenen Roger Willemsen. Diese Produktion hat uns wirklich sehr viel Spaß gemacht.

FIhr sprecht beide sehr gut deutsch. Wie kommt das?

LJOh, das ist ein großes Kompliment, danke. Unser Vater stammt aus Vaals im Süden von Holland in der Nähe von Maastricht. Da wird ein Dialekt gesprochen, der dem Deutschen recht ähnlich ist.

 

FWas macht ihr in eurer Freizeit? Habt ihr Hobbys?

LJSport treiben wir gerne, vor allem um fit zu bleiben. Wenn du lange am Klavier sitzt braucht du als Ausgleich Bewegung. Wir handeln nach der Devise „ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“. Natürlich lieben wir auch Essen, mit Freunden und Bekannten. Und Fußball, wenngleich das in Holland momentan weh tut mit unserem Nationalteam.

FLucas und Arthur Jussen ich bedanke mich für das ausführliche Gespräch.

Foto: Arthur & Lucas Jussen

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