Neugier und Energie: Die Cellistin Raphaela Gromes im Interview

Neugier und Energie: Die Cellistin Raphaela Gromes im Interview

Sie ist ein Temperamentsbündel: Nicht nur bei unserem Interview, geführt von wegotmusic.de-Redakteur Herbert Heil, sondern auch am Cello. Da ist es nicht verwunderlich, dass die 27-jährige Raphaela Gromes wegen ihres leidenschaftlichen Spiels von der Presse und dem Publikum gleichermaßen gefeiert wird.

Wie flexibel sich Raphaela Gromes und ihr Klavierpartner Julian Riem die Bälle zuspielen, kann man auf der neuen Sony-CD „Serenata Italiana“ nachhören. Live zu erleben ist das Duo beim diesjährigen Moselmusikfestival am 22. Juli im Barocksaal von Kloster Machern in Bernkastel-Kues, Konzertbeginn 17 Uhr.

FFrau Gromes, man attestiert Ihnen mutige Neugier und Energie. Sind das die Schlüssel zu Ihrem Erfolg?

ANun, das hat Yo-Yo Ma gesagt und es hat mich sehr gefreut. Ich weiß nicht, ob sie Schlüssel zu meinem Erfolg sind. Es sind, glaube ich, Eigenschaften, die mich schon in der Kindheit geprägt haben. Die Neugierde ist bei mir auch bei der Werkauswahl ganz entscheidend. Ich recherchiere mit Begeisterung neue Stücke für Cello und Klavier, die selten gespielt werden, aber genauso hörenswert sind wie die bekannten. So finden sich zum Beispiel auf unserem aktuellen Album „Serenata Italiana“ Werke aus der italienischen Spätromantik von Komponisten wie Ferruccio Busoni, Giuseppe Martucci, Alfredo Casella oder Mario Castelnuovo-Tedesco.

FSie wirken während der Konzerte sehr entspannt, wenngleich hochkonzentriert. Lampenfieber scheinen Sie nicht zu kennen?

ADoch, doch, natürlich. Aber ich glaube, ich habe meistens Lampenfieber vor dem Konzert, aber auf der Bühne nicht mehr – dann geht es nur noch um die Musik. Man wächst ja außerdem mit den Aufgaben und lernt schließlich damit umzugehen.

FSie spielen auf einem Violoncello von Jean-Baptiste Vuillaume aus dem Jahr 1855. Was ist so besonders an diesem alten Instrument?

AEs hat einen besonders warmen und ausgeglichenen Klang, von der C- bis zu derA-Saite, von unten bis oben, und ermöglicht ein riesiges Klangfarbenspektrum. Übrigens ist das Cello das Instrument des Jahres 2018. Und sein Klang ist vielleicht von allen Instrumenten der menschlichen Stimme am ähnlichsten.

FMan sagt, Sie haben neben einer untadeligen Technik und Intonation besonders leichte, bewegliche Hände. Ist dem so?

ATatsächlich ist das so. Dafür muss ich Gott danken, aber eigentlich noch mehr meiner Mutter. Sie war anfangs meine Lehrerin. Ich musste viel üben und sie achtete darauf, dass meine Hände beweglich und schnell wurden.

FSie haben in ihrem Duo-Partner, dem Pianisten Julian Riem, den idealen Begleiter gefunden. Was schätzen Sie an ihm besonders?

AWir spielen ja schon seit gut sechs Jahren zusammen und sind von daher sehr aufeinander eingespielt. Was mich so glücklich macht, ist einerseits die Tatsache, dass wir uns aufeinander verlassen können. Ich schätze an Julian, dass er unglaublich sensibel ist und genau spürt was ich will und dem auch folgen kann. Auf der anderen Seite, dass er transparent und sehr farbig und facettenreich spielen kann. Stichwort Balanceproblem – das Klangvolumen des Piano ist einfach größer als das des Cellos, mit Julian nie ein Problem!

FWie gelingt es zwischen zwei Duo-Partnern eine solche Harmonie zu erreichen, die auch den letzten Zuhörer im Konzertsaal fesselt?

ASeit mehreren Jahren spielen wir regelmäßig Projekte und Konzerte, proben sehr intensiv. Ein wichtiger Punkt ist, dass wir einen ähnlichen Zugang zur Musik haben und von Anfang an hatten. Zuhören und aufeinander eingehen sind in der Kammermusik das Wichtigste überhaupt, denn die Stimmen ergänzen sich ja, ergeben erst gemeinsam das Große Ganze. Wenn man sich beim Konzert offen und flexibel auf den Partner einlässt, kann es sein, dass man vollkommen ineinander aufgeht und intuitiv gemeinsam in eine neue Richtung geht, die einem vorher nie in den Sinn gekommen wäre – das sind magische Momente, die auch das Publikum spürt.

FWie gehen Sie vor, wenn Sie ein neues Konzertprogramm planen? Was sind die Auswahlkriterien?

AOft schaue ich, ob es einen bestimmten Anlass gibt, ein Jubiläum etwa im nächsten oder übernächsten Jahr. 2018 steht zum Beispiel Gioacchino Rossini im Fokus. Er starb vor genau 150 Jahren. So haben wir viel Rossini ins Programm genommen und eine Hommage für ihn zusammengestellt. Dann schauen wir, was zu dieser Musik noch passen könnte. Vielleicht setze ich einen Kontrast dazu, also etwas ganz Gegensätzliches oder etwas, das sie ergänzt, das vielleicht aus der gleichen Zeit stammt. Was am Ende zählt ist, dass das Programm stimmig ist und einen inneren Zusammenhalt hat.

FNachgewiesenermaßen haben Sie ein besonderes Faible für die weniger bekannten musikalischen Werke. Warum eigentlich?

AIch finde, dass das Standard-Repertoire für Cellisten relativ klein ist. Es sind im Grunde nur um die zehn Cellokonzerte und zehn Cellosonaten, die man immer wieder spielt. Das ist schade, da es so viele wunderbare Stücke weniger bekannter und auch berühmter Komponisten gibt, die kaum zur Aufführung kommen. Es ist eine Riesenfreude, solche Werke aufzuspüren und dem Publikum selten oder sogar nie Gehörtes zu präsentieren.

FIm eher konservativen klassischen Musikbetrieb sind Sie so etwas wie eine Ausnahmeerscheinung hinsichtlich des Repertoires, aber auch wenn es am Konzertende zu einer Jubelarie seitens des Publikums kommt. Wie gehen Sie mit so was um?

ANatürlich freut es uns, wenn wir so viel positive Rückmeldung vom Publikum bekommen. Für Musiker ist das eine tolle Bestätigung, Lebenselixier und Ansporn, weiter zu machen. Wir geben auf der Bühne alles. Und wenn das ankommt und die Zuhörer an unseren Konzerten Gefallen finden, ist das natürlich großartig.

FStimmt es, dass Sie in der Regel vieles auswendig spielen?

AJa, tatsächlich. Ich habe das Gefühl, dass ich dadurch viel freier spielen kann. Werke, die ich schon öfter gespielt habe, spiele ich lieber auswendig. So bin ich noch mehr mit dem Werk verbunden und ein größeres Flow-Erlebnis kann entstehen.

FWenn man liest, welche Auszeichnungen Sie bereits bekommen haben und mit wem Sie so alles schon gespielt haben, stellt sich die Frage, wo soll das noch hinführen? Was dürfen wir von Ihnen noch alles erwarten?

AAlles zu seiner Zeit. Ich habe keine Ahnung. Ja, ich bin gerade so mit meinen Projekten beschäftigt, dass ich langfristig keine Pläne und Vorstellungen habe. Im Moment bin ich mit dem Hier und Jetzt befasst. Natürlich freue ich mich, wenn sich vieles weiterentwickelt…

FHaben Sie eigentlich noch Zeit für irgendwelche Hobbys?

A(Lacht) Naja, das ist zeitlich eher schwierig. Allerdings, wenn ich dazu komme, koche ich gern und treffe mich mit Freunden. Und auf den vielen Reisen lese ich und schaue mir Filme an. Hobby und Beruf verbinden sich, wenn ich zu Konzerten oder in die Oper gehe.

FFrau Gromes, ich danke Ihnen für das offene und ausführliche Gespräch.

Zur Person Raphaela GromesBereits als Vierjährige hat Raphaela Gromes mit dem Cellospiel begonnen und konnte im Alter von sieben Jahren mit ihren Eltern, beide Cellisten, erste Bühnenerfahrung sammeln. Ihr Debüt als Solistin erfolgte mit dem Cellokonzert von Friedrich Gulda im Herbst 2005, worauf sie von Publikum und Presse überschwänglich gefeiert wurde. Danach hatte sie zahlreiche Auftritte mit großen Orchestern und Solisten. Zweifellos ist die 1991 geborene Münchnerin eine fantastische, hoch virtuose Cellistin. Aber da ist noch mehr, da ist Persönlichkeit, Ausstrahlung, eine gewisse Magie, die das Publikum sofort verführt.Unter dem Titel „Serenata Italiana“ haben Raphaela Gromes und Pianist Julian Riem eine CD herausgebracht, auf der beide Stücke der italienischen Cello-Literatur spielen. Versammelt sind hier Werke von Ferruccio Busoni, Giuseppe Martucci, Alfredo Casella, Mario Castelnuovo-Tedesco und dazu noch eine Ausgrabung für Cello und Klavier „Animato con passione“ von Mathilde Capuis, einer Komponistin, die im Januar dieses Jahres mit 104 Jahren gestorben ist. Erschienen ist das Album bei Sony MusicRaphaela Gromes, geboren 1991 in München studierte in Leipzig, München und Wien. 2012 gewann sie den Strauss-Wettbewerb. Julian Riem, geboren 1973 in München studierte auch dort sowie in Paris und Basel. Der Pianist arbeitet als Solist, Liedbegleiter und Kammermusiker.

Fotos: Sabine Schneide, wildundleise.de

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