„Händel Goes wild“ oder: Barock trifft Jazz

„Händel Goes wild“ oder: Barock trifft Jazz

Die Rezeptur scheint einfach: Man nehme Hits der Barockmusik, dazu exzellente Musiker aus der Alte-Musik-Szene und wage die Begegnung mit anderen Musikgenres, etwa dem Jazz. Nun, das ist das Erfolgsrezept von Christina Pluhar und ihrem Ensemble L’Arpeggiata. Und die Sache geht auf. Mehr noch, sie gelingt sogar vortrefflich.

Doch der Reihe nach: Nach ihrem fantasievollen Blick auf Purcell, Monteverdi und andere frühbarocke Meister ist es nur verständlich, dass sich Christina Pluhar und ihr Ensemble auch dem Genie Händel widmen – und zwar mit dem Album „Händel Goes wild“. Der Titel ist nicht immer Programm, aber über weite Passagen schon. Das Verblüffende an der Sache ist der stete Wechsel zwischen dem Barock-Sound von damals und dem freien von heute. Pluhar setzt auf einen mitreißenden Dialog über die Jahrhunderte hinweg. Neben das Barockinstrumentarium stellt sie eine wilde bis zarte Jazz-Klarinette von Gianluigi Trovesi, Klavier und Schlagzeug neben besagte Violinen, Lauten, Cembalo sowie den Star-Gesangssolisten Núria Rial und Valer Sabadus. Ja, die italienische Jazzlegende Gianluigi Trovesi, die katalanische Sopranistin Núria Rial und der in Rumänien geborene Countertenor Valer Sabadus sind die herausragenden Akteure dieser gelungenen Produktion. Wobei zu sagen ist, dass das gesamte Team von Musikern dem „Superstar“ Händel ein Denkmal setzen. Ludwig van Beethoven soll ihn als den größten Komponisten aller Zeiten bezeichnet haben. Die Londoner Bürger errichteten ihrem Händel schon zu Lebzeiten ein Denkmal.

Es ist gewiss nicht übertrieben die Pluhar als eine der innovativsten Musikerinnen der Alte-Musik-Szene zu bezeichnen. Ihr Markenzeichen: Stilgrenzen ignorieren und Altbekanntem neues Leben einhauchen. Dabei gehört ihr Ensemble zur internationalen Spitzenklasse. Zum Programm: Pluhar sorgt für Abwechslung. Da gibt es Arien, Duette und Instrumentalwerke aus allen Schaffensperioden Händels, von der Bravourarie „Venti turbini“ aus „Rinaldo“ – der ersten Oper, die Händel in London schrieb und die seine dreißig Jahre währende Erfolgskarriere begründen sollte – bis hin zu Stücken aus dem Spätwerk, darunter die berühmte „Ankunft der Königin von Saba“ aus dem Oratorium „Solomon“. Und Händel-Hits wie „Lascia ch’io pianga“, oder „Ombra mai fu“ faszinieren noch heute. Selten hört man die Ohrwürmer in solch erfrischender Weise in einem zeitgemäßen Kleid.

In 13 von 15 Tracks spielen die beiden Ensembles zusammen, die entsprechenden Arrangements stammen von Christina Pluhar. Herausgekommen ist ein sehr solides Crossover-Projekt, das viel Spaß und Hörgenuss bietet. Perfektion, Spielfreude und Improvisationlust ist allen Musikern anzuhören. Händel hätte wohl auch seine Freude an diesen musikalischen Begegnungen gehabt. Schließlich war er selbst ein großer, geradezu „wilder“ Improvisator.

L’Arpeggiata & Christina Pluhar: „Händel goes wild“ ist auf dem Label Erato erschienen.

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