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Vinicio Capossela: Stories aus dem Land der Mythen
Vinicio Capossela: Stories aus dem Land der Mythen
Vinicio Capossela erzählt Geschichten in einer Weise, wie sie keiner seiner Weggefährten aus der Singer-Songwriter-Szene Italiens in der Lage wären zu erzählen. Man hat den Eindruck Caposselas Kopf ist voller Dinge, von denen er unbedingt berichten muss. Und so hat er in jahrelanger Arbeit Romane geschrieben und ein Doppelalbum eingespielt, das einfach Staunen macht. Ein Mammutwerk, das auf dem literarischem Schaffen des Cantautore fußt.
Vor zwanzig Jahren begann der 1965 in Hannover geborene Emigrantensohn mit Wurzeln im süditalienischen Irpinien mit der Niederschrift seines Romans „Il paese dei coppoloni“. Im heimatlichen Land der Coppoloni (die den Namen ihren Hüten verdanken) wandelt der Erzähler als „viandante“ (Vagabund) auf verschlungenen Pfaden durch Mythen und Legenden.
Bereits 2003 spielte er „Polvere“ ein, den ersten Teil des Liederzyklus, gemeinsam mit Gruppen wie Calexico und Los Lobos sowie mit dem legendären Texmex-Akkordeonisten Flaco Jiménez. „Polvere“ (Staub) steht dabei für die von der Sonne verursachte Trockenheit, aber auch für eine Welt mit einem zyklischen Zeitverständnis. Die Lieder berichten vom Schweiss der Landarbeiter und von ihrer Ausbeutung sowie von einer eigenständigen Kultur.
Im zweiten Teil, „Ombre“ (Schatten), geht es um Ängste vor den Gespenstern der Nacht. Capossela beleuchtet poetisch und musikalisch eine wunderliche Welt, deren Antlitz nie deutlich sichtbar wird – eine Welt der Prophezeiungen und Nachtvögel, der „criature della cupa“. Seine Texte sind voller Ironie und Witz, Poesie und Anspielungen. Wilde, kraftsprühende Interpretationen traditioneller Weisen kombiniert er mit gefühlvollen Liebesliedern, wechselt Gangart, Tempo und Humor von Stück zu Stück. Er beschwört den Minotaurus, Cowboys, Riesen, Fabelwesen und die Medusa, springt von Polka zu Tarantella, von Blues zu Mambo, von skandiertem Text zu Operettenmelodien, von sardischen Weisen über Klezmermusik bis zu mexikanischen Mariachi-Klängen. Kurzum, sein Album ist voller musikalischer Hakenschläge. Der italienische Barde ist von einem Sänger wie Tom Waits ebenso inspiriert wie von einem Musik-Poeten wie Paolo Conte oder Zucchero.
Mit Fug und Recht kann man Vinicio Capossela derzeit als Italiens spannendsten Cantautore bezeichnen. Er ist nicht nur Poet und Musiker, sondern zugleich Hexenmeister und Troubadour. Seine aktuelle Doppel-CD ist unbedingt empfehlenswert. Sie eröffnet nicht nur neue musikalische Horizonte, sondern auch literarische und kulturelle Verbindungen, die zum Nachdenken zwingen.
Vinicio Capossela: Canzoni della cupa (Warner)
DVD: Vinicio Capossela nel paese dei coppoloni (Feltrinelli); Buch: Il paese dei coppoloni (Feltrinelli).