Lüttich: Eine Reise zu Simenon, Musik, Kunst und Fritten

Lüttich: Eine Reise zu Simenon, Musik, Kunst und Fritten

Wenn eine ganze Stadt feiert, gibt es meist ein Spektakel. So auch bei dem genreübergreifenden Festival in Lüttich, bei dem Zehntausende in die facettenreiche Kultur der wallonischen Metropole eintauchten.

Sänger, ein Orchester, DJs, Schauspieler, Akrobaten und Videokünstler waren die Mitwirkenden bei „Karbon Kabaret“, einem effektgeladenen Freilicht-Spektakel, das die Stadt Lüttich gemeinsam mit dem belgischen Regisseur Fabrice Murgia produzierte.

Die pompös inszenierte Opera urbain, die am 19. September 2015 auf dem Place Saint-Lambert im Rahmen der Fetes de Wallonie uraufgeführt wurde, hob die Grenzen zwischen Konzert, Schauspiel und Kabarett auf – auch die zwischen Stadt und Zuschauern. Das spektakuläre Event, an dem professionelle Schauspieler, Musiker und die Bewohner der Maas-Metropole beteiligt waren, lud ein in die Geschichte Lüttichs und die verschiedenen Facetten seiner Identität.

Ehrgeiziges Ziel von „Karbon Kabaret“ war es, die Seele der Stadt Lüttich und der gesamten Provinz zu erfassen. In kraftvollen Bildern schlugen die unterschiedlichsten Künstler Brücken zwischen der bewegten Vergangenheit und der Zukunft der belgischen Stadt (Festival bei ARTE 28.2. um 01.30 Uhr).

Im vergangenen Jahr war auch wegotmusic.de in der Stadt an der Maas mit ihren rund 200.000 Einwohnern und wir waren beeindruckt von dieser lebenslustigen und vitalen Metropole. Die einstige Industriestadt, in der sich früher fast alles um Kohle und Stahl drehte, hat sich inzwischen an vielen Stellen herausgeputzt und glänzt heute mit moderner Architektur und Bauwerken aus der Renaissance.

Vom wirtschaftlichen Niedergang nach der Schließung der letzten Kohlegrube 1980 ist nicht mehr viel zu spüren. Schmutzig und grau war gestern. Lüttich hat sich davon erholt und blickt nach vorn. Inzwischen schätzen viele Touristen die Universitäts- und Museumsstadt am Zusammenfluss von Ourthe und Maas. Vieles hat hier Platz: die Tradition, aber auch die Moderne. Als Stichworte seien genannt: kulturelle Vielfalt, außergewöhnliches Design und extravagante Mode. Der berühmteste Sohn der Stadt ist gewiss der Krimiautor und „Maigret“-Schöpfer Georges Simenon. Ihm zu Ehren hat die Stadt ein Museum geschaffen und einen Simenon-Rundweg angelegt. Der Schriftsteller wurde im alten Viertel Outremeuse („andere Maasseite“), gleich gegenüber dem Zentrum auf einer Insel gelegen, geboren. In diesem Viertel stößt man automatisch auf die Spuren des wahrscheinlich bekanntesten Lüttichers. Wer Simenons Krimis kennt, ahnt in Outremeuse, warum er seinen Kommissar immer wieder mal von Paris nach Belgien zum Ermitteln fahren ließ. Der Stadtteil-Kirche Saint-Pholien hat Simenon sogar einen ganzen Kriminalroman gewidmet.

Lüttich oder Liège, wie die wallonische Stadt auf Französisch heißt, ist die größte in Wallonien und die drittgrößte nach Brüssel und Antwerpen in Belgien. Ihr Charme erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Lüttich drängt sich dem Besucher nicht auf. Es will entdeckt werden. An klassischen touristischen Zielen herrscht jedenfalls kein Mangel. Neben der Kathedrale und einer Reihe von Museen lassen sich immer wieder architektonische Juwele entdecken, leider auch Bausünden.

Ein Erlebnis ganz besonderer Art bietet die unglaublich lange Treppe Montagne de Bueren („Bauerntreppe“), die von der Altstadt – Ausgangspunkt ist neben dem Musée d’Art Wallon – zu höher liegenden Wohnvierteln hinauf führt. 374 Stufen gilt es zu bewältigen. Da geht nicht nur so manchem Touristen die Puste aus. Doch allein der Weg dorthin ist ein Erlebnis, die Aussicht belohnt den mühevollen Aufstieg. Von hier oben eröffnet sich das Panorama Lüttichs, das sich seit dem 8. Jahrhundert an einer Biegung der Maas ausbreitet. Vor uns die Altstadt mit ihren grauen Dächern und verwinkelten Gassen. Dazwischen die gotische St. Paul-Kathedrale aus dem 10. Jahrhundert. Hinter dem ehemaligen Palais der Fürstbischöfe mit der Renaissance-Fassade breitet sich der weite Lambertplatz aus. Seit 2009 sind nach 15-jähriger Planungs- und Bauzeit im „Grand Curtius“ fünf verschiedene Museen mit mehr als 5000 Ausstellungsstücken unter einem Dach auf einer Fläche von 5000 Quadratmetern vereint. Grundlage des für 50 Millionen Euro erbauten Kulturkomplexes sind das Wohnhaus und das aus dem 17. Jahrhundert stammende stattliche Kontorgebäude des Lütticher Waffenfabrikanten Curtius: Gemälde, kostbare Glasarbeiten, Fayencen, Schmuck, wertvolle Werke religiöser Kunst, archäologische Funde, Waffen – alles das wird im „Grand Curtius“ gezeigt.

Im einstigen Minoritenkloster ist heute das „Musee de la Vie Wallonne“ untergebracht. In den auch didaktisch glänzend aufgebauten Ausstellungsräumen erfährt der Besucher alles Wissenswerte über die Region, über Handwerkskünste beispielsweise der Kupferschmiede und Glasbläser. Einzigartig ist auch das Kunstzentrum „La Cite Miroir“ am Place Xavier Neujean, das sich in einem ehemaligen Schwimmbad im Bauhausstil befindet. Nicht zu vergessen, das Museum für zeitgenössische Kunst (Mamac) im ehemaligen Palast der Weltausstellung.

Wem nach dem Besuch der Museen der Sinn nach Essen und Trinken gelüstet, sitzt in Lüttich an der Quelle. Schier unerschöpflich ist die Auswahl an Kneipen, Restaurants und Cafés im Herzen der Altstadt, dem Coeur Historique, sowie am Place de la Cathédrale und vor dem Rathaus am Place du Marché. Dort herrscht quirliges Treiben, vom üppigen Frühstück am Vormittag bis zum letzten belgischen Bier um Mitternacht. In Lüttich findet man auch einige kuriose Lokale, etwa das „Le Labo 4“, etwas versteckt auf dem Hof neben dem Aquarium-Museum am Quai Edouard van Beneden in einem unscheinbaren Flachbau. Das einstige Chemielabor aus den 60er Jahren ist heute ein Restaurant – samt der alten Einrichtung vom Bunsenbrenner bis zum Erlenmeyerkolben. Essig und Öl gibt es aus kleinen Pipettenflaschen. Die Wände schmücken unendlich lange und kompliziert erscheinende chemische Formeln und Verkettungen, in der Speisekarte ist das Periodensystem der Elemente abgedruckt. Das Essen selbst stammt natürlich nicht aus der Retorte. Das Lokal ist berühmt für seine hochwertigen Fleischgerichte.

Zu den Lütticher Spezialitäten zählen vor allem Bier, Waffeln, Fritten, Buletten und natürlich Schokolade. Letztere bekommt man beim Chocolatier Galler in der Fußgängerzone „Le Carre“, in der Nähe der Jugendstil-Passage Lemonnier, die noch den Geist der 1830er-Jahre verströmt.

Übrigens: Für alle, die schöne Geschäfte in Lüttich suchen, kann der kleine Einkaufsführer „Shop’in Design“ empfehlen werden, den es kostenlos bei der Touristeninformation (am Platz Saint-Lambert) gibt.

Die Visitenkarte Lüttichs ist ein lichtes Zelt aus Stahl und Glas, dessen helle Streben sich kraftvoll und dynamisch über Bahnsteige und Gleise schwingen. Der spanische Stararchitekt Santiago Calatrava hat Lüttich inmitten des etwas heruntergekommenen Viertels Guillemin dieses Meisterwerk beschert, das nach über achtjähriger Bauzeit eröffnet wurde. Calatrava, der im schwedischen Malmö das aufsehenerregende Hochhaus „Turning Torso“ und in seiner Heimat Valencia die Bauten zur „Stadt der Künste und der Wissenschaften“ entwarf, setzte für Lüttich ein Zeichen der Zukunft.

In 39 Minuten ist man bereits in Brüssel, in zwei Stunden in Paris und in drei Stunden in London. Hier halten der TGV Thalys auf dem Weg von Köln nach Paris ebenso wie IC- und Regionalzüge der Linien in die Ardennen.

Wem nach dem Besuch der Museen der Sinn nach Essen und Trinken gelüstet, sitzt in Lüttich an der Quelle. Schier unerschöpflich ist die Auswahl an Kneipen, Restaurants und Cafés im Herzen der Altstadt, dem Coeur Historique, sowie am Place de la Cathédrale und vor dem Rathaus am Place du Marché mit ihren Terrassen. Dort herrscht quirliges Treiben, vom üppigen Frühstück am Vormittag bis zum letzten belgischen Bier um Mitternacht.

wgm_luettich_2Noch ein Lüttich-Highlight zum Schluss: Es ist der futuristisch anmutende Bahnhof, inzwischen die Visitenkarte Lüttichs. Ein lichtes Zelt aus Stahl und Glas, dessen helle Streben sich kraftvoll und dynamisch über Bahnsteige und Gleise schwingen. Der spanische Stararchitekt Santiago Calatrava hat Lüttich dieses Meisterwerk beschert, das nach über achtjähriger Bauzeit eröffnet wurde. Calatrava, der im schwedischen Malmö das aufsehenerregende Hochhaus „Torso“ und in seiner Heimat Valencia die Bauten zur „Stadt der Künste und der Wissenschaften“ entwarf, setzte damit für Lüttich ein Zeichen der Zukunft. Bei laufendem Eisenbahnverkehr errichteten die Bauleute die 39 Stahlstützen der Dachkonstruktion. Sie tragen das 1700 Tonnen schwere Glasdach, das sich über 32000 Quadratmeter spannt.

Unweit von Lüttich, gerade mal 25 Kilometer entfernt, findet sich noch ein Kleinod der besonderer Art: die Abtei von Val-Dieu. Ein prachtvolles Ensemble, das vor allem auch Bierfans entzücken dürfte. Denn hier wird echtes belgisches Abteibier produziert und somit die lange Brautradition der Zisterzienser bis in die heutige Zeit fortgeführt.

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