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Kleiner Spatz mit großer Stimme: Vor 100 Jahren wurde Edith Piaf geboren
Kleiner Spatz mit großer Stimme: Vor 100 Jahren wurde Edith Piaf geboren
Eigentlich hatte Edith Piaf – am 19. Dezember 1915 in Paris geboren – in ihrem Leben viel Pech. Ihre Kindheit war von Gewalt und Alkohol geprägt, keiner wollte das kleine Mädchen wirklich haben. Als ihr Vater sie im Zirkus auftreten ließ, entdeckte Edith ihre Liebe zur Musik und zum Singen. Mit 15 Jahren verließ sie ihren Vater und den Zirkus und ging ganz allein nach Paris. Erst sang sie auf der Straße, dann in kleinen Kneipen. Wenige Jahre später aber stand sie auf den großen Bühnen der Welt, im Olympia in Paris und der Carnegie-Hall in New York. Edith Piaf, der „Spatz von Paris“, war immer klein und kränklich, aber ihre Stimme war so groß, dass sie heute noch zu hören ist. „Meine Chansons, das bin ich. Das ist mein Fleisch, mein Blut, mein Kopf, mein Herz, meine Seele“, hat sie einmal gesagt. Und da ist wahrlich was dran. Mit 19 nahm sie ihre erste Platte auf und blieb für die nächsten 25 Jahre ein Star, trotz Mordaffären, Drogen- und Alkoholexzessen und wiederholter Operationen. Zu den Liedern, mit denen sie weltweit bekannt wurde, zählen „La vie en rose“, „Milord“ und „Non, je ne regrette rien“.
Édith Gassion, wie die Künstlerin mit bürgerlichem Namen hieß, schrieb die Texte zu 90 Liedern, unter anderem das berühmte „La vie en rose“. Das ist allein deshalb schon eine beachtliche Leistung, weil sie aufgrund ihrer fehlenden Bildung sehr mit der Sprache kämpfte. Das Leben der Piaf bestand kurz zusammengefasst aus Exzessen und Tragödien. Dazu zählten Drogen, Wutanfälle, Halluzinationen, Entziehungskuren, das ganze Programm. Sie pflegte einen Lebensstil, der manchen Rock’n’Roller vor Neid erblassen lassen könnte. Sie soff, rauchte und nahm Drogen, liebte leidenschaftlich und unstet, verschwendete sich – und bedauerte nichts.
Ihr Männerkonsum beschränkte sich nicht auf Kollegen wie Bécaud, Brialy, Eddie Constantine, Yves Montand oder Charles Aznavour. Eine Zeit lang favorisierte sie Radsportler. Nachdem ihre angeblich große Liebe, der Boxer Marcel Cerdan mit dem Flugzeug abstürzte, betäubte sie ihren Schmerz über seinen Tod mit Morphium. Zwei Jahre später hatte sie zwei Autounfälle. Überhaupt ranken sich viele Legenden um die Piaf. Mythos und Wahrheit auseinanderzuhalten ist da nicht immer einfach, zumal die Sängerin selbst zur Mythenbildung fleißig beitrug.
Mit ihren Chansons bezauberte sie Millionen, ihre Bühnenpräsenz war legendär. Was die Leute immer am meisten wunderte, war Ediths Körpergröße. Sie maß genau 1 Meter und 47 Zentimeter. Viele erstaunte, wie aus einem so kleinen Körper eine so kraftvolle Stimme kommen kann.
„Monstre sacré“ – „heiliges Monster“, nennen die Franzosen sie ehrfürchtig. Nicht nur weil sie großartige Chansons gesungen hat, sondern weil sie für viele die Pariserin schlechthin war: voller Inbrunst, großherzig, selbstbewusst und ausschweifend, voller Leidenschaft und voller Allüren.
Sie war eine Frau, die sich für ihre Berufung als Sängerin buchstäblich verzehrte und sich unaufhörlich nach Liebe sehnte. 1960 komponierte Charles Dumont mit „Non, je ne regrette rien“ Edith Piafs letzten großen Welterfolg. Damit ermöglichte er der bereits schwer Kranken, von der Öffentlichkeit schon mehrfach Totgeglaubten
die erste sensationelle Wiederauferstehung. 1961 trat sie drei Monate lang hintereinander im Pariser Olympia auf und spendete ihre Einnahmen dem legendären Konzerthaus, das sie so vor der Pleite bewahrte. Mit 47 Jahren starb Edith Piaf am 10. Oktober 1963.
40.000 Menschen kamen zu ihrem Begräbnis am 14. Oktober. Auch ein halbes Jahrhundert nach ihrem Tod ist Edith Piaf immer noch die berühmteste Sängerin, die Frankreich je hervorgebracht hat. „La môme Piaf“ – „der kleine Spatz“ – ist den Franzosen bis heute ein nationales Heiligtum. Edith Piaf ruht auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise, 16 Rue du Repos. Das Musée Edith Piaf befindet sich in der Rue Crespin du Gast Nr. 5. Zum 100. Geburtstag von Edith Piaf ist das Box-Set Edith Piaf: „1915 – 2015“ mit Begleitbuch, einer Vinylplatte und 20 CDs auf dem Label Parlophone (Warner Music) erschienen.
Sehr zu empfehlen ist auch der Band des Piaf-Experten Jens Rosteck: „Edith Piaf – Hymne an das Leben“ (UVP: 11,99 Euro). Darin breitet der Autor das Auf und Ab dieses hochdramatischen Lebens kenntnisreich und liebevoll vor uns aus.