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Spotify, Deezer und Apple: 3 Thesen zum Streaming-Markt
Spotify, Deezer und Apple: 3 Thesen zum Streaming-Markt
„Es ist schon immer wieder erstaunlich, welchen Medien-Hype Apple immer noch auslöst“ schreibt Michael Krause vom Streamingportal Deezer auf horizont.de in einem lesenswerten, aber dennoch eher von Optimismus geprägten Gastbeitrag. Ich sehe es einen Tick anders, denn die immense Mediendominanz der Kalifornier ist kein Zufall, sondern das Produkt harter strategischer Arbeit. Und verfolgt man die aktuellen Reaktionen der bestehenden Marktteilnehmer im Streaming-Markt, so wirkt alles ein wenig unvorbereitet. Fast könnte man glauben, man möchte sich selbst ein bisschen Mut machen oder sich gar aus der aktuellen Schockstarre „herauskommunizieren“. Fakt ist: Apples Eintritt in den Streaming-Markt wird Konsequenzen haben. Für die etablierten Player ebenso wie für den ehrfürchtig erwarteten Neuling.
„Es wird für keinen Player ein Monopol in diesem Markt geben“, schreibt Michael Krause weiter. Doch wer hätte Anfang der 2000er Jahre gedacht, dass Nokia innerhalb eines Jahrzehnts Geschichte im Mobilfunkmarkt ist und Anbieter wie Samsung und Apple sich zusammen fast die Hälfte der Marktanteile sichern? Sicher, nicht alles lässt sich übertragen, aber wir reden von einem fast austauschbaren Produkt. Deshalb meine erste These: Am Ende wird nicht der gewinnen, der die meisten Songs bietet (ob 20 Millionen oder 30 Millionen, who cares? Der Großteil der Kunden will aktuellen Mainstream, den die Musikindustrie mit Sicherheit jedem Anbieter zur Verfügung stellen wird), sondern der mit der besten „User Experience“. Und dafür hat Apple sicher nicht die schlechtesten Voraussetzungen. Denn im Aufbau von optisch wie technisch vollintegrierten und nutzerfreundlichen Systemen macht Apple so schnell keiner was vor. Vielleicht wird es kein Monopol geben, aber von einer Dominanz durch Apple Music halte ich für sehr wahrscheinlich. Weltweit sind rund 800 Millionen Endgeräte „designed in California“ mit Zugriff auf den aktuellen iTunes-Store im Einsatz. Wenn nur fünf Prozent davon – und das ist für die nahe Zukunft ein nicht unwahrscheinlicher Wert – zu zahlenden Kunden werden, sind das auf einen Schlag doppelt so viele, wie Spotify aktuell hat.
In Deutschland streamen laut Bitkom rund 20 Millionen Menschen Musik. Dennoch: Keiner der Anbieter ist wirklich profitabel. Branchenprimus Spotify – immerhin knapp 20 Millionen zahlende Kunden weltweit – verlor 2014 trotz Milliardenumsatz rund 200 Millionen US Dollar. Deshalb die These Nummer zwei: Es wird einen Verdrängungswettbewerb geben, bei dem nur die Unternehmen mit den besten Kostenstrukturen überleben – oder eben diejenigen, für die Streaming kein Hauptgeschäft, sondern add on ist. Und genau das ist bei Apple Music der Fall. Die Kalifornier müssen mit ihrem neuen Service kein Geld verdienen, das erledigt die margenträchtige Hardware quasi im Alleingang. Vielmehr ist das Angebot ein weiteres Element im bunten, aber hermetisch abgeriegelten „Apple Kosmos“, der auch die Hardware noch attraktiver macht. Warum eine „fremde“ App installieren, wenn mit dem nächsten iOS Update der Zugang zum „eigenen“ Produkt schon vorinstalliert ist? Viele Kunden der aktuellen Streaming-Dienste dürften schon aus reiner Bequemlichkeit (nochmal: wir sprechen hier im Kern über ein nahezu austauschbares Produkt) zu Apple wechseln – einfach, weil es praktisch ist.
Warum entscheidet sich jemand für Musikstreaming zu bezahlen? Ich glaube, der einzige Grund dürfte in den meisten Fällen nur die Musik selbst sein. Ein Soziales Netzwerk für Musik? Daran hatte Apple sich schonmal versucht. Der Name: iTunes Ping. Ein echter Rohrkrepierer, 2012 wurde es abgeschaltet. Ein Webradio für die ganze Welt, das 24 Stunden am Tag sendet? Nicht schlecht, aber auch nicht neu. Deshalb die dritte These: Alles, was über das reine Streaming von Musik selbst hinausgeht ist nur der Beilagensalat zum Schnitzel und für das Gros der Kunden kein Argument, den Anbieter zu wechseln. Gerade die vielen nationalen Facebook-Klone wie StudiVZ oder werkenntwen, denen in den vergangenen Jahren alle der Saft abgedreht wurde, zeigen: Menschen wollen keine 20 Profile pflegen. Die Masse ist Träge. Und bei Spotify, Deezer, Rhapsody bzw. Napster oder Soundcloud ist die Anbindung an die bestehenden Sozialen Netzwerke wie Twitter oder Facebook hervorragend. Will heißen: Apple könnte es schaffen, das Streaming für neue Kunden zu erschließen, die bislang noch davor zurückschreckten. Ein eingefleischer Spotify-Nutzer hat aber – die bessere Integration ins Apple Ökosystem mal ausgeschlossen – auch keinen dringenden Wechselbedarf, zumal der Preis identisch ist.
Ein weiterer Gedanke: Als Microsoft den so verhassten Internet Explorer in sein Betriebssystem einbaute gab es zahlreiche Proteste und Prozesse. Die Gerichte entschieden damals, dass es sich um eine Wettbewerbsverzerrung handelt. Microsoft musste den Nutzern ein Wahlrecht geben. Aber: Etwas sehr ähnliches passiert nun mit dem Musikstreaming. Und das sollte allen, die schon jetzt auf dem Markt vertreten sind, zu denken geben. Denn: Die Geschichte hat sich schon öfters wiederholt…
Foto: unsplash / Craig Garner