Anthology: Steve Tibbetts unendlicher Klangkosmos

Anthology: Steve Tibbetts unendlicher Klangkosmos

Fans von Steve Tibbetts dürfen sich freuen. Seit 1982 veröffentlicht der Amerikaner seine Werke beim Münchener Label ECM. Jetzt hat die Plattenfirma eine Anthologie mit Stücken aus acht Alben des amerikanischen Gitarristen und Komponisten veröffentlicht. Zum 40. Jubiläum erscheint mit „Hellblond Train” diese Retrospektive als Doppelalbum mit Stücken von den Alben „Northern Song”, „Safe Journey“, „Exploded View“, „Big Map Idea“, „The Fall Of Us All“, „A Man About A Horse“, „Natural Causes” und „Life Of“. Es sei nicht wirklich eine Best Of, sondern eine „The Best Steve Could Do”, erklärt der stilprägende Autodidakt aus Minnesota den Ansatz dieser Songsammlung.

Die Auswahl der insgesamt 28 Stücke folgte nicht nur nach Bekanntheit und Ansehen, sondern auch nach Zusammenwirken mit den anderen hier vertretenen Stücken. Entstanden ist ein spannender und in Teilen durchaus überraschender Querschnitt, den der Künstler selbst so beschreibt: „Hellbound Train“ ließ sich leicht zusammenfügen; die Kanten schweißten sich selbst zusammen. Die Abfolge macht Sinn, hat den Klang der Wahrheit, fördert die Erzählung und erfüllt eine ähnliche unergründliche Ästhetik.”

Der Schwerpunkt der Stücke auf „Hellblond Train“ stammt also aus der mittleren Karrierephase. In dieser Phase reiste Tibbetts für das Naropa-Institut und kam intensiv mit ethnischer Musik in Berührung, die er in seine Arbeit integrierte. Tibbetts setzte die A-Saite auf ein G und die tiefe E-Saite auf ein C herab. Dadurch erhielt er Bordun auf den tiefen Saiten, was jene Stimmung erzeugt, die er seitdem für elektrische und akustische Gitarre verwendet.

Gut hören kann man diese Stimmung auf Stücken wie „Black Temple“, „Roam And Spy“ oder „Chandogra“, die alle ihren Weg auf diese Sammlung gefunden haben. Besonders zur Geltung kommen aber auch Kompositionen wie das quirlig-treibende „Nyemma“, das mysteriöse „Start“ oder das sentimentale „Night Again“. Sie demonstrieren die eigene Stimmfarbe Tibbetts’, die sich insbesondere im Zusammenspiel mit Cellistin Michelle Kinney und Tabla-Spieler Tim Weinhold und natürlich Langzeitweggefährte und Percussionist Mar Andersen zeigt.

Die meisten Gitarristen spielen Musik für Gitarristen. Steve Tibbetts ist Gitarrist, aber seine Aufnahmen klingen völlig anders. Sie scheinen aus fernen, manchmal exotischen Welten zu kommen. Melodische Figuren haben bei Tibbetts den gleichen Stellenwert wie  Rhythmik oder wechselnde harmonische Parameter. Seit über vier Jahrzehnten spielt Tibbetts diese fantasievolle, ergreifende und mitreißende Musik, ohne dabei Trends oder Strömungen aufzusitzen.

Label und Künstler haben sich bei dieser Anthologie auf eine ganz besondere Klassifikation geeinigt: Eine CD hat Tibbetts mit elektrischen Gitarren eingespielt, die zweite mit akustischen Saiteninstrumenten. Das heißt, eher rauer Klang auf der einen Seite, entspanntes Reflektieren auf der anderen.

Fazit: Ein Rückblick, der sich sehen oder besser gesagt, hören lassen kann.„Hellbound Train“ ist eine umfassende und erstaunlich gut funktionierende Werkschau der bisherigen Karriere eines der eigensinnigsten ECM-Gitarristen.

Steve Tibbetts: „Hellbound Train – An Anthology“  ist auf dem ECM-Label erschienen.

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