Musikalische Expeditionen: Jacob Karlzons Wanderlust
Musikalische Expeditionen: Jacob Karlzons Wanderlust
Der 51-jährige Schwede Jacob Karlzon hat sich mit inzwischen zwölf eigenen Alben, als Begleiter der Sängerin Viktoria Tolstoy wie durch die Zusammenarbeit mit Stars wie Dominic Miller seit langem in die erste Reihe der europäischen Jazzpianisten gespielt. Wenige sind technisch so beschlagen wie der klassisch ausgebildete Karlzon, wenige sind nach so wenigen Tönen wiedererkennbar, wenige lieben so sehr die Live-Improvisation und wenige gehen so konsequent auf die Suche nach Pop- und Rockmomenten. Kürzlich ist sein neues Albums „Wanderlust“ erschienen. Darauf bündelt der Musiker musikalische Expeditionen, anmutig, fließend und zuweilen tief emotional-bewegend. Es sind die Schönheiten seiner Piano-Melodien und –Harmonien die faszinieren. „Wanderlust“ atmet Hoffnung und Abenteuer, die Musik öffnet Räume für Liebe und Diskurs, für Spontaneität und Struktur. Der Albumtitel-Titel „Wanderlust“ setzt sich aus den beiden deutschen Wörtern Wandern und Lust zusammengesetzt. Im Englischen wird „Wanderlust“ doch eher als Umschreibung für Fernweh oder Reiselust genutzt. Ein Begriff wie gemacht für den schwedischen Pianisten und Komponisten Jacob Karlzon, der sich der Musik überaus bedächtig, mit jedem neuen Album geradezu demütig nähert.
Dem Undefinierbaren der Musik, ihrer Appelle an Seele und Geist, Menschlichkeit und Empathie, fühlt er sich seit seinen ersten pianistischen Versuchen verbunden und vor allem verpflichtet. 1970, gleich zu Beginn eines Jahrzehnts geboren, entdeckte er das Beseelte in unterschiedlichen Formen zeitgenössischer Musik. Fragt man ihn nach seiner Selbstdefinition als Künstler, antwortet er: „Alternative Musician“. Das ist bewusst ungenau formuliert, denn nichts schränkt einen Freigeist wie ihn mehr ein als in Genre-Schubladen gesteckt zu werden. Karlzon spielt Jazz, denkt Rock, spricht mittels der Tasten seines Steinway-Flügels wie ein Philosoph, dabei immer musikalisch anspruchsvoll und höchst einladend. „Art Of Resistance“ hat Karlzon die Einführung in sein neues Album genannt. Der Name des Stücks ist Programm. Es geht um Widerstand, um Musik als Opposition zur allgegenwärtigen Unterdrückung individueller Ansichten und Bedürfnisse.
Wenn Rasmus Kihlberg am akustischen Schlagzeug und Bassist Morten Ramsbøl ins Geschehen eingreifen, erhebt das Individuum schließlich seine freie Stimme als Gegengewicht zu repressiven Kontrollversuchen. Karlzon will „Wanderlust“ dennoch nicht als politisches Statement verstanden wissen. Der tiefgehende, gleichzeitig resolute Gehalt der 12 Stücke darf allerdings als Weckruf zur sinnlichen Erfahrung von Menschlichkeit wahrgenommen werden, wobei „Wanderlust“ lustbetont allzu einfachen Formeln trotzt. Fazit: „Wanderlust“ ist von A bis Z eine Geschichte über Humanität, das Leben, die Freiheit und die konstruktive Kraft des menschlichen Geistes – angetrieben von pulsierender Magie.
Jacob Karlzon: „Wanderlust“ ist auf dem Label Warner Music erschienen.