Pianist Abdullah Ibrahim: Ein Quell ungetrübter Freude

Pianist Abdullah Ibrahim: Ein Quell ungetrübter Freude

„Solotude“ heißt das neue Solo-Piano-Album des südafrikanischen Pianisten Abdullah Ibrahim. Es wurde an Ibrahims Geburtstag im Oktober 2021 im Hirzinger Saal in Riedering (Bayern) aufgenommen, wo er traditionell sein Geburtstagskonzert gibt. Der in Deutschland für seine Akustik berühmte Saal passt perfekt zur Stimmung des Albums, das warm und zeitlos zugleich ist.

Die Musik umfasst Klassiker wie „Blues For A Hip King“ und „The Wedding“, selten aufgenommene Stücke wie „Tokai“ sowie neue wie „Once Upon A Midnight“, „In The Evening“ und „Signal On A Hill“. Abdullah Ibrahim, bekannt geworden als Dollar Brand, ist einer der bekanntesten Musiker aus Afrika. Eines seiner Stücke wurde zur Hymne der Anti-Apartheit-Bewegung. 1994 spielte er bei der Amtseinführung Nelson Mandelas. Heute lebt der 87-Jährige überwiegend im Chiemgau.

In den 1950er Jahren begeisterte er sich für den neuen Jazz-Sound aus den USA, den „Bebop“, jene hektisch wirkende, wilde Musik mit vielen ungewohnten Intervallsprüngen, die den modernen Jazz hervorbringt. Abdullah Ibrahim hat einen besonderen Sinn für betörend einfache Melodien, die emotional sofort ansprechen. Dazu kommt meist ein fesselnder Groove und ein völlig eigenständiger Flow. Bei seinen Solo-Auftritten, wie auch aktuell bei den Aufnahmen zu „Solotude“ durchwandert er gern auf den Tasten Stationen seines Lebens. Er setzt sich an den Flügel, lässt seine auffallend schlanken und sehr langen Hände sanft auf die Tasten sinken – und beginnt mit ganz leisen, langsamen Tönen, aus denen sich allmählich eine Melodie herausschält. Wie eine Landschaft aus Klang wirken diese Melodien. Aufgenommen wurden die 20 Tracks auf „Solotude“ während des pandemiebedingten Lockdowns ohne Publikum.

„Solotude“ ist vieles zugleich: nachdenklich, wehmütig und erhebend, und selbst beim Solospiel ist Ibrahim in der Lage, zahlreiche moderne Jazz-Stile anzudeuten, wenn er beliebte Songs und Titel des letzten Albums sowie einige neue Kompositionen interpretiert. Der Titel „Blue Bolero“, ist ein perfektes Beispiel für die Stimmung auf dem neuen Album. Der Song pendelt zwischen beschwörenden Melodien und nostalgischen Motiven. Obwohl das Stück nur knapp über zwei Minuten lang ist, lädt es zum Nachdenken ein und zeigt die sehr intime Natur der Musik dieses Künstlers.

Wie ein Hohepriester des Klangs setzt Ibrahim dunkle Muster, von denen sich die hart mit der rechten Hand angeschlagenen Melodien abheben. Dabei reduziert er die Stücke manchmal auf ihren innersten, von allem Schmuck befreiten Kern, und setzt wenig später opulente Ornamente dagegen. Dann schwelgt er in dichten Tonwolken, die er kurz darauf wieder auflöst – ein beständiges, den Hörer fesselndes Wechselspiel. Fazit: Ein großartiger Pianist, der es vermag Gefühle zu vertonen und eine warme Ausstrahlung hat. Er lebt Musik und ist mit 87 Jahren noch bemerkenswert fit.

Abdullah Ibrahim: „Solotude“ ist auf dem Londoner Label Gearbox Records/The Orchard erschienen im Vertrieb von Bertus.

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