Helge Schneider: Der Jazz lässt ihn nicht los

Helge Schneider: Der Jazz lässt ihn nicht los

Seit 50 Jahren ist Helge Schneider schon auf Bühnen unterwegs – und noch immer hat er Spaß dabei. Wo genau all seine Einfälle herkommen, ist übrigens auch für ihn selbst ein Rätsel. Fest steht allerdings: Wenn Helge Schneider eine Bühne betritt, weiß eigentlich niemand, was im Verlauf des Auftritts passieren wird. Weder das Publikum, noch seine Band, nicht einmal er selbst. Der Musikclown, Multiinstrumentalist, Jazzliebhaber, Meister der absurden Geschichten und Entertainer beherrscht das Unvorhersehbare und die Improvisation wie kein anderer. Seit seinem noch immer ziemlich skurrilen Überraschungserfolg mit „Katzeklo“ 1994 hat er sich vom absurd-anarchistischen Außenseiter zu einem der beliebtesten Bühnenkünstler entwickelt. Mittlerweile ist Schneider 65 Jahre alt und hat in vielen kulturellen Medien seine Spuren hinterlassen: Er hat Krimis geschrieben, Filme gedreht, Hörspiele aufgenommen, am Theater inszeniert – und auch seine kleinen, hingehuschten Zeichnungen haben einen besonderen Strich.

Kürzlich hat Schneider ein neues Album mit dem Titel „Die Reaktion – The Last Jazz Vol. II“ herausgebracht. Es setzt sich aus sehr verschiedenen Stilen zusammen: Swing, Bebop, Hardtop, Klassik, Lieder etc. und sogar ein Hörspiel, wie man es vom Meister gewohnt ist! Besonders zu erwähnen ist hier der völlig vorurteilslose Umgang mit den Genres. Doch eines wird überdeutlich: Helge Schneider hat seine Wurzeln im Jazz. Seine Schallplatte „The Last Jazz“, die in den 80-ern erschien, ist einzig und allein von ihm selbst im Multiplay-Verfahren eingespielt, bis auf ein paar wenige Ausnahmen. Auch das aktuelle Werk ist wieder im Multiplay-Verfahren aufgenommen, außer einem einzigen Stück, „The Tadd Walk“, in dem sein Sohn Charlie Schneider (gerade mal 11 Jahre alt!) Schlagzeug spielt. Insgesamt 22 Songs und eine Geschichte sind darauf zu hören. Dies ist jedoch kein reines Jazz-Album, sondern durchzogen mit einigen Rock-, vielen Blues- und sogar Klassik-Parts. Saloonige Klaviermusik, Jazz-Trompete, ominöse Instrumente,  feinstes, bluesiges Akustik-Gitarre-Fingerpicking, wunderbar-chaotischer Freejazz und der gewohnt groteske Gesang.

Um was geht’s? Um irgendwie alles und gleichzeitig nichts. Hoch komplexe philosophische Fragen: Ob der Pabst, wenn er ein Fisch wäre, in Rimini baden gehen könnte, ohne erkannt zu werden? Wie ein Mann ohne Gesicht sein Gesicht aus dem Bahnhofs-Schließfach holt. Um ein so called „Ibizenken“-Huhn am Urlaubsstrand. Die Kirsche auf dem Kuchen: Helges Bach am Cembalo und eine Mondscheinsonate verziert mit einem Hustenkrampf.

Fast jedes Stück darauf ist ad hoc entstanden, ohne große Planung, ohne festes Arrangement. Es geht – wie immer – um Alltags-Absurditäten. Und auch um Jazz-Geschichte. Unverkennbar: Helge Schneider. Jazzer, Komiker, am besten wohl: Musikclown. Er hat reagiert. „Ja, das Leben ist ‚ne Reaktion“, sagt Schneider. Und so heißt dann auch folgerichtig sein neues Album: „Die Reaktion“, Untertitel „The Last Jazz Vol. II“.

Helge Schneider: „Die Reaktion – The Last Jazz Vol. II“ ist auf dem Label Railroad Tracks erschienen.