Piano-Ikone Joachim Kühn ganz bei sich
Piano-Ikone Joachim Kühn ganz bei sich
Trios spielten und spielen eine große Rolle in der Karriere des Pianisten Joachim Kühn. Denken wie nur an seine Veröffentlichungen mit dem Bassisten Jean-François Jenny-Clark und dem Schlagzeuger Daniel Humair bzw. mit den Musikern Jean-Paul Céléa und Wolfgang Reisinger. Doch auf seinem aktellen Balladen-Album ist er ganz auf sich allein gestellt. Und so ist die Piano-Ikone ganz bei sich. Kühn liefert ein reduziertes Song-Album aus Klassik, Pop und Jazz zusammen mit Kühns schillernden Eigenkompositionen. Dabei wollte Joachim Kühn eigentlich erst mit 90 ein reines Balladen-Album einspielen, wie er jüngst scherzhaft verlauten ließ. Doch die Abgeschiedenheit seines Hauses auf Ibiza und auch das Fehlen der Konzerte wegen der Corona-Pandemie ließen den Pianisten, der am 15. März seinen 77. Geburtstag feiert, zum Glück anders entscheiden. Jedenfalls hat er mit seinem DAT-Recorder in seinem Musizierzimmer etwa 40 Stücke aufgenommen, die allesamt irgendwie mit ihm als Mensch und Musiker verbunden sind und deren Essenz nun als „Touch The Light“ auf CD veröffentlicht wurden. Und man hört tatsächlich in den 13 Solo-Variationen einen nahezu unentdeckten Kühn.
Der Pianist, der in der Regel mit seinem donnernden, expressiven und hochvirtuosen Spiel auf den 88 Tasten ebenso berühmt wie berüchtigt war, zeigt sich diesmal introspektiv, lässt jedem Ton und Klang den notwendigen Raum. Jedes einzelne Stück ist unter Kühns Klavierbearbeitung etwas Besonderes geworden. „A Remark You Made“ von Joe Zawinul etwa führt ihn zurück zu einem Wendepunkt seiner Karriere. Gato Barbieris Thema aus „Der Letzte Tango in Paris“ erinnert nicht nur daran, dass Barbieri 1972 Kühn für den Soundtrack engagierte, sondern es ist auch eine Melodie, die er später oft in seinem erfolgreichen Trio mit Daniel Humair und Jean-Francois Jenny-Clark spielen sollte.
Sein eigener Klassiker „Sintra“ entstand während eines friedlichen Moments in einem Café im ehemaligen Heiligtum der portugiesischen Könige. Und der jüngst komponierte Titeltrack „Touch the Light“ fängt die Schönheit des Sonnenuntergangs über dem Meer ein, den Kühn am Flügel sitzend, von seinem Musikzimmer aus betrachtet.
Weitere musikalische Reminiszensen sind Mal Waldrons „Warm Canto“ oder der Standard „Stardust“, der zu Tränen rührende Pathos in „Purple Rain“ von Prince, die wunderbare Version von Bill Evans‘ „Peace Piece“ und Milton Nascimentos „Ponta de Areia“ bis hin zum Rhythm & Blues-Klassikers „Fever“.
Es ist förmlich herauszuhören, dass den großen Freigeist, Improvisator und Harmonik-Revolutionär hier die schiere Lust an der Melodie gepackt hat. Diese Aufnahmen sind sozusagen eine Herzensangelegenheit für Kühn. Man spürt seine Liebe und Freude, die er in diese Songs einfließen lässt.
Fazit: Ein Mann, ein Flügel, ein Kosmos an Klängen. Für den Hörer beginnt eine musikalische Reise zum Träumen und Innehalten. Wunderbar, einfach wunderbar!
Joachim Kühn: „Touch The Light“ ist beim Label ACT erschienen.