Altmeister Henri Texier landet einen Volltreffer

Altmeister Henri Texier landet einen Volltreffer

Anders als viele Jazzmusiker, die schon mal gerne die Plattenfirma wechseln, ist der Kontrabassist Henri Texier seinem Label Bleu über die Jahre treu geblieben, wohl weil er hier seine künstlerische Fantasie und die Vorstellungen vom Jazz am besten entfalten konnte. Der Veteran der französischen Jazzszene begann seine Karriere Anfang der 1960iger Jahre in den Pariser Jazzclubs, wo er u.a. mit Bud Powell, Johnny Griffin, Bill Coleman, Don Cherry und Martial Solal spielte.

Für sein aktuelles Album „Chance“  hat sich der Franzose eine handverlesene Auswahl exzellenter Musiker ins Studio geholt, die ihn bereits auf seinem vorangegangenen Album „Skydancer“ aus dem Jahre 2016 unterstützten: seinen Sohn Sébastien Texier (Klarinette, Altklarinette und Altsaxophon), Vincent Lê Quang (Tenor- und Sopransaxophon), Manu Codja (Gitarre) und Gautier Garrigue (Schlagzeug). Auf „Chance“ präsentiert er acht perfekt aufeinander abgestimmte Stücke des zeitgenössischen Jazz. Die Titel sind wie gewohnt bis ins letzte Detail durchdacht und finden im Zusammenspiel eine beachtliche Wirkung. Das lange erwartete Studioalbum ist sehr nuancenreich. Da konkurrieren etliche Musikstile, wobei auch progressive oder zumindest atypische Elemente nicht fehlen. Anleihen bei Country, Americana oder orientalischer Musik sind ebenfalls vertreten. Darüber hinaus werden bekannte Standards geschickt in die Struktur der Stücke eingearbeitet.

Neben warmen und fröhlichen Klängen scheut das Album auch nicht vor melancholischer Stimmung wie im Stück „Laniakea“ zurück. Für den 1945 in Paris geborenen Bandleader, der zudem ein angesehener Komponist von Jazzstücken ganz eigener Prägung ist, ist dies das mittlerweile 38. Album. Auf „Chance“ entsteht eine Musik voller Schattierungen. Es ist vielleicht genau solch eine Musik, die man in Zeiten wie diesen besonders brauchen kann. Eine Musik, die nicht oberflächlich daherkommt, sondern tief einsteigt und sich dabei auch Zeit nimmt. Beispielsweise die einfühlsam gespielte Ballade „Simone et Robert“. Sie besticht mit einer bluesigen Klarinette und einem sentimentalen Tenorsaxophon. Der 2009 verstorbenen deutschen Tänzerin und Choreografin Pina Bausch hat Texier seine Komposition Titel „Pina B.“ gewidmet, die mit einem dynamischen Schlagzeug, einem enthusiastischen  Klarinettenspiel und einem in alle Richtungen tanzenden Bass die ausdrucksstarken Tanzfiguren der Choreografin treffend umsetzt. Mit dem knapp zwei Minuten dauernden Stück „Standing Horse“ unterstreicht Texier noch einmal, warum er zu Recht als einer der besten Kontrabassisten des europäischen Jazz gilt. Im atmosphärischen Opener „Cinecittà“ breitet sich eine subtile Melancholie aus. Henris Sohn Sébastien schrieb diese Hommage an Fellini, der in 30 Jahren alle seine Meisterwerke in Cinecittà in Rom realisierte. Summa summarum: ein großartiges Album!

Henri Texier: „Chance“ ist auf dem Label Bleu erschienen im Vertrieb von Broken Silence.

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