Neues von Etta Scollo: Die Reise Marias
Neues von Etta Scollo: Die Reise Marias
Neues von Etta Scollo! Der Musikerin und Sängerin ist eine Wandlerin zwischen der Folklore ihrer sizilianischen Heimat, Jazz, Canzone und arabischer Dichtung und seit mindestens zwei Jahrzehnten fest verankert in der Spitze der Weltmusikszene. Es gelingt ihr immer wieder zu überraschen, wie jetzt auf ihrem aktuellen Album („Die Reise Marias“), ein Projekt über die Reise der Maria und Christi Geburt. In ihrem außergewöhnlichen Weihnachtsprogramm erzählt sie von der besinnlichen Zeit in ihrer Heimat. Mit kraftvoller und leidenschaftlicher Stimme gibt sie einen berührenden Einblick in die Tradition der „Novene“, gesungene Erzählungen der Geschichte Jesu, zu denen sich an den Tagen vor Weihnachten Familien in ihren Dörfern versammeln. Begleitet wird Scollo von dem Akkordeonisten Daniel Moheit und Fabio Tricomi am traditionellen sizilianischen Dudelsack, Mandoline und an der Rahmentrommel.
Der heilige Joseph glaubte, so ein Lied, Bekannte würden die schöne Maria willkommen heißen, doch niemand öffnete ihr die Tür. Aber am Ende kommt neues Leben, ein Kind in einen Stall wird geboren, das sogar „die Sternen staunen lässt“ so lautet ein Text und alle Menschen kommen friedlich zusammen. Und so ist auch ihr neues und 13. Album, das wieder bei dem Freiburger Label Jazzhaus Records erscheint, „etwas ganz anderes“ als das, was sie bisher gemacht hat, wie sie selbst sagt. Mit „Il Viaggio Di Maria“ hat sie traditionelle Weihnachtslieder aus der Jahrtausende alten Schäfer- und Hirtenkultur Siziliens zusammengetragen, die die Flucht der mit dem Jesuskind schwangeren Maria von Nazareth nach Bethlehem zum Inhalt haben. Erschlossen hat sich die Sängerin diese Liedkultur, die mündlich und von Generation zu Generation weitergegeben wurde, vor allem über das Archiv des Ethnomusikologen Antonino Uccello, der in den 1960er Jahren durch Sizilien gereist ist, um die Lieder der ländlichen Bevölkerung in Tonaufnahmen zu sammeln.
Wer Etta Scollo kennt, weiß, dass es sich nicht um ein gewöhnliches Weihnachtsalbum handelt, dass sie sich stets auf mehreren Ebenen einem Thema nähert. Unverwechselbar ist die Künstlerin in ihrer Leidenschaft, ihre Heimat mit seinem schimmernden musikalischen und sprachlichen Erbe unterschiedlicher Kulturen sichtbar werden zu lassen. Die 14 Stücke des Albums sind keine Melodien, die in Kirchen zu hören waren, sondern auf den Plätzen und Straßen der Dörfer und Städte. „Ich kenne die Lieder seit meiner Kindheit, meine Tanten haben sie gesungen“, sagt sie. Sie wurden mündlich und von Generation zu Generation weitergegeben.
Zum Einsatz kommen damit vorrangig Instrumente, die noch heute traditionell verwendet werden, etwa von den „Orbi“, blinden Sängern, die in Sizilien vor Kirchen oder geschmückten Straßenaltären ihre Lieder spielen. Ebnet zu Beginn etwa „Si fici già omu“ andächtig und zärtlich von Jesus’ Menschwerdung den Weg in das Album, folgt gleich danach das maultrommelfröhliche „A Nannaredda“, ein „Schlaflied“ im Tarantella-Rhythmus, das also eher zum Tanzen statt zum Ruhen einlädt und in seiner Lebendigkeit das gerade geborene Kind preist. Wie eine Art melancholisches Klagelied mit einem Schuss Ironie und Humor schließt sich daran „Il canto del pastore“ an, das einzige Lied, das nicht von der Geburt Jesu handelt, sondern vom kargen Leben der Hirten. Mit „Santi spiriti divini“ und „Natus est“ werden auch sakrale Töne angestimmt.
Spätestens am Ende des Albums wird deutlich, wie sehr Etta Scollo immer noch vom Thema Flucht – der unfreiwilligen Reise des Menschen in unserer Zeit – ergriffen ist. Denn mit der Flucht von Maria und Josef spricht Scollo auch eines der größten Themen unserer Zeit an, und zwar die lebensgefährliche Flucht über das Mittelmeer, die in den vergangenen Jahren Tausende Menschen das Leben gekostet hat.
Etta Scollo: „Il Viaggio di Maria“ ist auf dem Label Jazzhausrecords erschienen.