Fulminantes Alterswerk vom Belfast-Cowboy
Fulminantes Alterswerk vom Belfast-Cowboy
Mehr als 40 Alben hat Van Morrison in seiner Karriere veröffentlicht. Allein in den vergangenen zwei Jahren gleich sechs an der Zahl. Dabei ist er nie irgendwelchen Poptrends hinterhergelaufen. Er blieb immer er selbst. Bis heute pflegt er seinen Sound, der zu einer zeitlosen Marke geworden ist, mit Blues und Soul in seiner Stimme. Eine Soulstimme, die niemals affektiert oder prätentiös klingt. Vielleicht ist genau das sein Geheimnis für den beständigen Erfolg. Immerhin währt seine Karriere schon fünf Jahrzehnte. Auf seinem aktuellen Album „Three Chords And The Truth“ gibt es 14 neue Originalstücke von ihm. Und einige dieser Songs klingen – obwohl sie neu sind – bereits wie Klassiker des Nordiren aus Belfast. Zum Beispiel das Eröffnungsstück „March Winds in February“. Der Song ist zeitlos, ein echter Van Morrison, der Titel könnte auch von einer seiner alten Platten stammen. Der Opener beginnt mit einem rollenden Besen-Rhythmus und einer bluesiger E-Gitarre. Darüber thront leicht verhallt Van Morrisons Gesang. Die rhythmischen Breaks und Betonungen im Stück funktionieren einwandfrei. Insgesamt eine reizvolle Einstimmung ins Geschehen.
Kommen wir zum zweiten Track „Fame Will Eat The Soul“: Für den Song, der die Schattenseiten der Popularität beleuchtet, holte er sich eine weitere Legende ins Studio: Ex-Righthous Brothers-Sänger Bill Medley. Gemeinsam singen die beiden Veteranen Textzeilen wie „drank some darkness, don’t you“ und „can’t get back on track, when every clown wants to take you down“. Fast fünf Minuten hagelt es beherzte Kritik verpackt in soulige Bluesklänge, bei denen Organist John Allair und Gitarren-Ass Jay Berliner instrumentale Highlights setzen. Ein Song comme il faut. Motown-R&B lässt grüßen.
Morrison, der Perfektionist, hat weitere fünf Könner wie David Hayes, Jeremy Brown, Pete Hurley und Dave Keary, nicht zu vergessen den schon vor 50 Jahren von ihm beschäftigten Jay Berliner in seiner herrlich altmodischen, hochkarätig besetzten Band. Viele Titel auf dem Album klingen christlich, ja geradezu biblisch. Etwa „Dark Night Of The Soul“, „In Search Of Grace“ oder „Does Love Conquer All?“ Und es gibt auch aktuelle Bezüge. Das Stück „Nobody In Charge“ mit seinem gelungenen Shuffle-Rhythmus sei schon auf den Brexit gemünzt. Da heißt es: „Politicians that waffle endlessly, people just don’t want to see, gettin’ paid too much for screwin’ up, don’t you think everyone’s had enough?“ Also: Politiker, die ohne Ende schwafeln, das will niemand mehr sehen, sie bekommen viel Geld für ihr komplettes Versagen, glaubt ihr nicht, die Leute haben davon genug? Ein anderes düsteres Stück heißt „You don’t understand“, in dem Van Morrison geradezu beschwörend davon spricht, dass man den Menschen auf keinen Fall vertrauen darf, denn sie sind zu den übelsten Dingen fähig, das habe er in seinem Leben selbst ausreichend erlebt.
„Early Days“ lässt die frühen Tage des Rock’n’Roll aufleben. Jazzig-bluesig geht es zu, mit Boogie-Woogie-Piano, Claps und einem weiteren beachtlichen Saxofon-Solo. „If We Wait for Mountains“ bietet eine typische, langsame Morrison-Ballade, die sehr stimmig rüberkommt. Eher melancholisch-getragen kommt „Read Between the Lines“ daher. Großes Morrison-Kino ist schließlich die herrlich selbstironische Country-Ballade „Bags Under My Eyes“. Fazit: Der Nachfolger seines zuletzt erschienenen Longplayers „The Prophet Speaks“ ist ein zeitloses Meisterwerk des Altmeisters!
Van Morrison: „Three Chords And The Truth“ ist auf dem Label Exil/Caroline erschienen.