Keine Note zu viel und hohe Konzentration
Keine Note zu viel und hohe Konzentration
Der Pianist Giovanni Guidi gehört zu den besonders bemerkenswerten jungen Jazzmusikern aus Europa. Das Wissen um die Jazztradition, verbunden mit einem unstillbaren Wunsch nach kreativer Weiterentwicklung und ein feines Händchen für lyrisch-melodische Raffinessen, charakterisiert den in der Nähe von Perugia geborenen Pianisten. Für sein aktuelles Werk „Avec Le Temps“ hat Guidi sein bewährtes Trio mit Thomas Morgan und João Lobo durch den Saxophonisten Francesco Bearzatti und den Gitarristen Roberto Cecchetto zum Quintett erweitert. Das neue Album „Avec Le Temps“ beginnt mit einer außergewöhnlichen Interpretation des französischen Dichters, Komponisten und Chansonniers Léo Ferré (1916-1993). Das sehnsuchtsvolle Lied, das von Liebe und Verlust handelt, ist ein Klassiker des französischen Chanson-Repertoires, dessen Melodie und Atmosphäre Guidi und sein Bassist Thomas Morgan hier neue Details abgewinnen. Es ist eine melancholisch-sehnsuchtsvolle Verbeugung vor dem großen Léo Ferré.
Bis auf das Titelstück „Avec le Temps“ stammen alle Kompositionen aus der Feder des Pianisten. Zusammen spielen die Musiker innige, tiefe Musik, die mal reinste Poesie ist, mal mit düsteren Untertönen daherkommt oder mal feierlich klingt. Von den wenigen schnelleren Titeln lassen sich einige Zeit, bis sie richtig in Schwung kommen. Nur bei einer Nummer steigen die fünf Musiker gleich in die Vollen – im melodisch an Ornette Coleman orientierten „No Taxi“. Doch immer heißt die oberste Leitlinie: Keine Note zu viel, keine weitschweifigen Alleingänge und volle Konzentration. Blueslastige Ausflüge, frei improvisierte Stücke und Balladen voller Magie ergeben dann ein großes Ganzes. Guidi-Kompositionen wie das bluesig-expressive „15th of August“, die intensive Ballade „Caino“, das impressionistische Stimmungsbild „Johnny The Liar“ oder das volksliedhafte „Ti Stimo“ dienen allen Akteuren dazu sich ins rechte Rampenlicht zu setzen. Die Kommunikationsfähigkeit aller Beteiligten ist immens. Besonders in den Stücken „Postludium And A Kiss“ und „No Taxi“ ist das der Fall. Der Pianist nennt dieses gewichtige Quintett aus musikalischen Freigeistern wohl nicht ohne Grund Giovanni Guidi Inferno. Das Album endet dann mit Guidis eigener Hommage an den von ihm bewunderten polnischen Trompeter Tomasz Stanko – der es wie wenige andere verstand, Vergänglichkeit, auch Verletzlichkeit, in Töne zu kleiden. „Avec le temps“ wurde in den Studios La Buissonne im November 2017 aufgenommen und von Manfred Eicher produziert.
Giovanni Guidi: „Avec le temps“ ist auf dem Label ECM erschienen.