Ry Cooder – tiefe Einblicke in die amerikanische Seele
Ry Cooder – tiefe Einblicke in die amerikanische Seele
Sechs Jahre mussten Ry Cooder-Fans auf ein neues Album vom Slide-Gitarren-Gott warten. Jetzt ist es endlich da. Das Ergebnis höchst erfreulich, eine Mischung aus eigenen neuen Kompositionen und Coverversionen von Songs von Blind Roosevelt Graves, The Stanley Brothers, Blind Willie Johnson, Alfred Reed und weiteren traditionellen amerikanischen Liedern. „The Prodigal Son“ heißt der Nachfolger von „Election Special“, ein Album der Extraklasse. Es ist gewiss eines der besten Werke seiner gesamten Karriere. Elf Songs hat Cooder dafür geschrieben oder ausgesucht und schließlich in Hollywood aufgenommen. Um die Produktion kümmerte sich der Musiker selbst zusammen mit seinem Sohn, dem Schlagzeuger Joachim Cooder.
Auf „The Prodigal Son“ setzt er sich ein für den kleinen Mann. Er übt Kritik am unsäglichen US-Präsidenten. Es geht um alte, gerade wieder hochaktuelle Themen: Ausbeutung, Korruption, Gier. Um mit Trumps Politik der Xenophobie und Ausgrenzung abzurechnen, ist es nicht nötig, den Namen des Präsidenten zu erwähnen. Dafür reicht es, dass Cooder zu einem Banjo den Blues-Klassiker „Everybody Ought to Treat a Stranger Right“ zum Besten gibt.
Hallende Gitarrenakkorde, eine grummelnde Stimme sind zu hören. Und Cooder singt: „Well bring your old guitar and sit here by me / Round the heavenly throne.“ So beginnt „Jesus and Woody“, eine Gospel-Utopie, in der er den Sohn Gottes auf Woody Guthrie treffen lässt, den Urvater aller Protestsänger. Jesus lobt Guthries Hymne „This Land Is Your Land“ und zitiert den Spruch, den der Folk-Meister auf seine Gitarre schrieb: „This machine kills fascists.“ Die bitterböse Ballade ist wahrlich der Höhepunkt auf Cooders neuem Album.
Klar ist, dem Slide-Gitarren-Virtuosen geht es nicht darum, die Vergangenheit nostalgisch zu zelebrieren, er sieht in ihr einen Kommentar zum „maroden moralischen Zustand“ der Gegenwart. Im Grunde gibt Cooder einen tiefen Einblick in die amerikanische Seele, die verwundbar geworden ist. Die Musik auf dem aktuellen Werk ist roh, aber auch zerbrechlich („Nobody’s Fault But Mine“). Blues, Spirituals, Tex-Mex und Lagerfeuer-Balladen verbinden sich auf wunderbare Weise. Die Texte sind voller Spott, wütend ob der Weltlage. An seine Freunde gerichtet warnt er: „All Ihr guten Leute müsst Euch jetzt zusammen tun, sonst haben wir bald keine Chance mehr“.
Ry Cooder ist und bleibt ein „Musician’s Musician“, einer der stilbildenden Gitarristen der Rockgeschichte, ein Weltmusiker bevor es dieses Etikett überhaupt gab. Er hat den Buena Vista Social Club produziert, mit Ali Farka Touré in Mali und mit den Rolling Stones musiziertund den Soundtrack zu Wim Wenders Film „Paris, Texas“ beigesteuert. Nun hat der 71-jährige Kalifornier mit „The Prodigal Son“ wieder ein Meisterstück abgeliefert.
Ry Cooder: „The Prodigal Son“ ist bei Caroline Records/Universal erschienen.