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Fulminanter Gig: Das Tingvall Trio zu Gast in Mainz
Fulminanter Gig: Das Tingvall Trio zu Gast in Mainz
Zeit für Jazz. Live-Jazz. Guten Live-Jazz. Dachte ich mir. Und machte mich auf nach Mainz, genauer gesagt, in den Frankfurter Hof. Denn: Das Tingvall Trio hatte sich angekündigt. Martin Tingvall – wir hatten ihn im Sommer zu seinem neuen Solo-Album „Distance“ im Interview – ist Exil-Schwede mit Wohnsitz in Hamburg und Bandleader des gleichnamigen Trios. Die anderen beiden Mitglieder: Omar Rodriguez Calvo aus Kuba am Kontrabass und Jürgen Spiegel an den Drums.
Das Konzert ist gut besucht, kurz nach 20 Uhr geht es los. Mit „Den Gamla Eken“, zu deutsch „Die alte Eiche“, einer feinfühligen Ballade und mit starker Melodie – und ganz nebenbei der erste Song des jüngsten Trio-Albums „Beat“. Dass die drei Musiker schon viele Jahre zusammenspielen und sich blind verstehen, merkt man an vielen kleinen Details, aber auch an der gemeinsamen Wertschätzung und der Freude auf der Bühne. So übernimmt Calvo beispielsweise kurzerhand die Melodie, während Tingvall sich zum ersten Solo aufmacht. Dabei stampft er mit dem Fuß auf, zuckt zu jedem Offbeat von Jürgen Spiegels Snaredrums, hebt das linke Bein – manchmal kann man ihn sogar leise die Tonfolgen mitsingen hören. Grandios verliert sich der Wahlhanseat in der Musik, scheint eins mit seinem Instrument zu werden. Beeindruckend, wie er nach ausschweifenden Soli wieder und wieder zielsicher das Hauptthema anspielt, als habe der die zurückliegenden fünf Minuten nichts anderes getan. Auf diese jazzige Reise nimmt er nicht nur seine Bandkollegen, sondern auch das Publikum mit, das von Song zu Song begeisterter wird – genau so sollen Konzerte sein!
Jürgen Spiegel präsentiert sich vielseitig: Die Rolle der souveränen Rhythmusmaschine steht ihm genauso gut wie die des impulsiven Improvisateurs, der kaum eine Gelegenheit auslässt, mit seinem sehr perkussiven Spiel Taktfolge, Tempo- und Rhythmuswechsel vorzugeben. Schnelle Songs pariert er mühelos, versteht sich aber auch darauf, seinen Mitmusikern ausreichend Raum für ihre Darbietungen zu geben. Gleiches gilt für den virtuosen Omar Rodriguez Calvo, der seinen Kontrabass vielseitigst einzusetzen weiß und sich in minutenlangen Soloeinlagen in die Herzen des Publikums spielt.
Das Line-up ist eine bunte Mischung alter und neuer Songs aus fast allen Longplayern der vergangenen Dekade Tingvall Trio – und überzeugt durch eine ausgewogene Mischung schnellerer und langsamer Stücke „Wir haben ein paar Songs vom neuen Album dabei, aber wir spielen auch einfach Songs, die wir mögen“, sagt Martin Tingvall zu Beginn. Und dass die drei Protagonisten großen Spaß an ihrer „Arbeit“ haben, merkt man an jedem Takt, jeder gespielten Note. Darunter sind in der ersten Konzerthälfte der Titeltrack des aktuellen Longplayers „Beat“, aber auch die Ballade „Pinocchio“ und die freakig-schnelle Nummer „Mustasch“ mit einem furiosen Finale, mit der das Trio nach sieben Songs die Pause einläutet.
Weiter geht es mit „Vägen“, zu deutsch „Wege“, dem Titelsong des 2011er Albums sowie der andächtig-fragil wirkenden Ballade „Vattensaga“. Dabei fällt einmal mehr auf, welches Talent Tingvall für feingliedrige und gleichzeitig packende Hauptmotive hat. Alles wirkt einprägsam, harmonisch und wie aus einem Guss – aber dennoch durch gezielte Dissonanzen und Tempowechsel auch sehr hörenswert und alles andere als gefällig. Kurz vor Schluss folgt mit „Beat Train“ der wohl heftigste Beitrag des Abends: Der treibende, fast schon nervöse und extrem schnelle Rhythmus geht ins Blut, bietet aber den perfekten Klangteppich für ein markantes Melodiekonstrukt mit vielen hohen Tönen und aberwitzigen Drum Fill-Ins.
Nach insgesamt 14 Songs und zwei Zugaben schließen die drei Musiker den Abend mit dem zurückgenommenen Song „Monster“. Ein würdiger Abschluss für einen grandiosen Gig in Mainz. So grandios, dass es das Publikum gegen Ende nicht mehr auf den Sitzen hält. Chapeau, meine Herren – so muss Trio-Jazz im Jahr 2015 klingen!
Weitere Konzerte des Frankfurter Hofs auf der Webseite.
Infos zum Tingvall Trio gibt es hier.